Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides wegen offenbarer Unrichtigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides wegen offenbarer Unrichtigkeit durch das Finanzamt ist zulässig, wenn die Anwendung der Splittingtabelle darauf beruht, dass infolge einer Flüchtigkeit des Veranlagungsbeamten übersehen wurde, die beantragte getrennte Veranlagung durchzuführen.

 

Normenkette

AO § 129; EStG §§ 26a, 26b

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 30.01.2006; Aktenzeichen III B 2/05)

 

Tatbestand

I.

Streitig ist ob die Voraussetzungen für eine Berichtigung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides wegen offenbarer Unrichtigkeit (§ 129 AO 1977) vorliegen.

Der verheiratete Kläger erzielte im Streitjahr aus einer Metzgerei in ... Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In der am 1912.2002 beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung 2001 beantragte er - durch Ankreuzen des Kästchens in Zeile 13 des Vordrucks - die getrennte Veranlagung. Angaben zu den Personendaten der Ehefrau bzw. zu ihren Einkünften enthielt die Einkommensteuererklärung nicht. Die Steuererklärung 2001 wurde durch einen steuerlichen Berater erstellt.

Das Finanzamt führte - statt der beantragten getrennten Veranlagung - für die Ehegatten eine Zusammenveranlagung durch. Mit Einkommensteuerbescheid vom 05.02.2003 setzte es die Einkommensteuer 2001 auf 10.112 € (= 19.778 DM) fest. Der Einkommensteuerbescheid erging nach § 165 Abs. 1, Satz 2 AO 1977 teilweise vorläufig. Der Bescheid - adressiert an den Kläger und seine Ehefrau - wurde dem steuerlichen Vertreter bekannt gegeben. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Nachdem bei der Veranlagungsstelle des Finanzamts die "Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen bei getrennter Veranlagung von Ehegatten für 2001" eingegangen war, bemerkte der zuständige Sachbearbeiter seinen Fehler hinsichtlich der Veranlagungsart. Er berichtigte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 2001 nach § 129 AO 1977 und führte nunmehr die ursprünglich beantragte "getrennte Veranlagung" durch; mit Bescheid vom 15.04.2003 wurde die Einkommensteuer 2001 auf 19.528,79 € (= 38.195 DM) festgesetzt.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

II.

Der Kläger hat Klage erhoben und im Wesentlichen vorgebracht:

Das Finanzamt habe den (bestandskräftigen) Einkommensteuerbescheid 2001 zu Unrecht nach § 129 AO 1977 geändert, weil es eine "ähnliche offenbare Unrichtigkeit" bei Durchführung der Einkommensteuerveranlagung unterstelle. Dabei werde der Fehler des Sachbearbeiters des Finanzamts auf die "eigenmächtige Übernahme der Daten der Ehefrau aus dem Vorjahr sowie die Eingabe dieser Werte zur Datenerfassung" reduziert. Die Finanzbehörde stelle damit in Abrede, dass der zuständige Sachbearbeiter bei der unzutreffend durchgeführten Zusammenveranlagung der Ehegatten rechtliche Überlegungen angestellt habe.

Im Streitfall widerspreche es der Berufserfahrung, dass ein langjährig erfahrener Veranlagungsbeamter das Wahlrecht eines Steuerpflichtigen übersehe, einerseits die für die Zusammenveranlagung notwendigen umfangreichen Ehegatten-Daten in eigener Aktivität zusätzlich eingebe, andererseits jedoch die zu einer Zusammenveranlagung notwendigen Ehegatten-Besteuerungsgrundlagen nicht eruiere. Dies könne der Beamte nicht ausgeführt haben, ohne sich zur Veranlagungsart (§§ 26 bis 26b EStG) Gedanken gemacht zu haben. Die Behauptung des Finanzamts, dass der Veranlagungsbeamte lediglich mechanisch die Zusammenveranlagung im maschinellen Verfahren eingeleitet habe, sei unzutreffend. Vielmehr sei es wahrscheinlicher, dass der Veranlagungsbeamte bei der selbständigen (zusätzlichen) Erfassung der Ehegatten-Daten auch Überlegungen und Prüfungen zu den Einkünften der Ehefrau angestellt und somit über die Folgen seines Vorgehens nachgedacht habe, nämlich eine Zusammenveranlagung durchzurühren. Fehler, die auf einer mangelnden Sachaufklärung durch das Finanzamt beruhten, stellten keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne der Änderungsvorschrift des § 129 AO 1977 dar. Davon sei auch im Streitfall auszugehen. Es habe deshalb beim bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid 2001 vom 05.02.2003 zu verbleiben.

Der Kläger hat beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 15.04.2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 03.07.2003 ersatzlos aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das Finanzamt hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Behörde hat hierzu - unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung - im Wesentlichen ausgeführt:

Im Streitfall sei durch einen Flüchtigkeitsfehler des Veranlagungsbeamten bei Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 2001 des Klägers ein unrichtiger Einkommensteuerbescheid ergangen. Der Veranlagungsbeamte habe die Wahl der getrennten Veranlagung übersehen. Handschriftlich habe er im Bearbeitungsbogen lediglich den Vornamen, das Religionsbekenntnis und das Geburtsdatum der Ehefrau des Klägers ergänzt und deswegen zweimal die "Zif...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge