Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Haftung des Kommanditisten für Umsatzsteuerschulden der KG gem. § 74 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Haftungsgrund nach der Bestimmung des § 74 AO besteht nicht in der wesentlichen Beteiligung des Eigentümers des Gegenstandes (hier: Betriebsgebäude) an dem Unternehmen als solcher, sondern in dem objektiven Beitrag, den der Eigentümer (Gesellschafter) durch die Überlassung des Gegenstandes für die Weiterführung des Gewerbebetriebes leistet.

Für die Begründung der Haftung nach § 74 AO ist es erforderlich, daß die Bereitstellung des Gegenstandes (im Streitfall durch den Kommanditisten) einen wesentlichen Beitrag darstellt, der die Verwirklichung des Steuertatbestandes dem Gesellschafter zurechenbar macht.

 

Normenkette

AO § 74 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht als Haftungsschuldnerin gemäß § 74 AO in Haftung genommen wurde.

Die Klägerin war als Kommanditistin (99,01% der Anteile) an der ... beteiligt, die in der Polstermöbelbranche tätig war. Über das Vermögen der KG wurde am 31. 10. 1996 das Konkursverfahren eröffnet.

Mit Bescheid vom 6. 8. 1999 nahm das Finanzamt die Klägerin nach vorheriger Haftungsanhörung gemäß § 74 AO für folgende Umsatzsteuerrückstände der ... in Haftung:

1995

fällig am 25. 11. 1996

in Höhe von

1.045,06 DM

April 96

fällig am 14. 8. 1996

in Höhe von

77.859,15 DM

Mai 96

fällig am 23. 9. 1996

in Höhe von

25.966,70 DM

Juni 96

fällig am 23. 9. 1996

in Höhe von

50.252,10 DM

Juli 96

fällig am 23. 9. 1996

in Höhe von

78.146,60 DM

Aug. 96

fällig am 21. 11. 1996

in Höhe von

599,75 DM

Sept. 96

fällig am 21. 11. 1996

in Höhe von

100.320,20 DM

1996

fällig am 3. 2. 1997

in Höhe von

230.325,80 DM

564.515,36 DM

Mit dem Bescheid war eine Zahlungsaufforderung nach § 219 AO verbunden.

Die nach § 74 AO gegenständlich beschränkte Haftung bezog das Finanzamt auf das von der Klägerin der ... zur Verfügung gestellte Grundstück mit Büro- und Betriebsgebäude, ..., Grundbuch des Amtsgerichts ..., Gemarkung ..., Flurstück-Nr. ... Laut Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ... vom 9. 2. 1998 beläuft sich der Wert des Gegenstandes auf 3.593.803 DM.

Zur Begründung hat das Finanzamt dargelegt, daß die Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks, das dem Betrieb der ... gedient habe, am Unternehmen wesentlich beteiligt sei. Ein beherrschender Einfluß sei nicht erforderlich. Trotz der gegenständlichen Beschränkung sei die Haftung jedoch auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet.

Es sei ermessensgerecht, alle Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, weil es die Sicherung des Steueranspruchs gebiete, alle Möglichkeiten zur Realisierung des Steueranspruchs auszuschöpfen. Gegen ... und die ... würden ebenfalls noch Haftungsbescheide erlassen werden. Da wegen des Konkurses der ... und der Geschäftsführerhaftung des Geschäftsführers ... für rückständige Lohnsteuern der ... zweifelhaft sei, ob der Steueranspruch in angemessener Zeit realisiert werden könne, gebiete es die Sicherung des Steueranspruchs aber auch, vorrangig solche Maßnahmen zu ergreifen, die innerhalb angemessener Frist zum Erfolg führen könnten.

Der eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt, den Haftungsbescheid vom 6. 8. 1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. 10. 1999 aufzuheben.

Zur Begründung trägt sie vor: Für eine Inhaftungnahme sei über den reinen Wortlaut hinaus eine subjektive Veschuldenskomponente erforderlich wie bei jeder Haftungsinanspruchnahme. Denn nach dem Normverständnis gebe es keine Haftung ohne Verschulden. Die Klägerin habe durch ihr Verhalten nicht dazu beigetragen, daß die fälligen Steuern nicht entrichtet worden seien. Ihr sei dies auch gar nicht bekannt gewesen. Die Klägerin sei an der Geschäftsführung nicht beteiligt gewesen und habe auch keine Vertretungs- oder Handlungsvollmacht für das Unternehmen besessen. Vielmehr habe ... alleinige Vertretungsvollmacht besessen und die Geschäfte ordnungsgemäß geführt. Dieser habe davon ausgehen dürfen, daß durch Verkauf des Betriebsparkplatzes die Umsatzsteuer vorrangig hätte beglichen werden können. In die finanzielle und wirtschaftliche Notlage sei die Firma ohne Verschulden geraten.

Es lägen auch Versäumnisse des Finanzamts vor, weil dieses ohne schuldhaftes Verzögern die streitgegenständlichen betrieblichen Umsatzsteuern der Firma für die Jahre 1995 und 1996 hätte geltend machen müssen, bevor der Konkursverwalter über das Vermögen der Firma verfügt habe. Der Konkursverwalter habe zunächst den Betrieb fortgeführt und wäre daher auch zur Umsatzsteuerabführung und Begleichung der aufgelaufenen diesbezüglichen Umsatzsteuerrückstände verpflichtet gewesen. Er habe Beträge zur Masse gezogen, die die Umsatzsteuerforderungen überstiegen. Die Umsatzsteuerschulden hätten noch in voller Höhe aus der Konkursmasse bezahlt werden können. Versäume das Finanzamt, einem entsprechenden Hinweis nachzugehen, sei die Inhaftungnahme ermessensfehlerhaft. In...

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