Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch - Inländischer Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt im Inland bei Auslandsaufenthalt

 

Leitsatz (redaktionell)

Gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 EStG hat für Kinder i.S. des § 63 EStG Anspruch auf Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Einen Wohnsitz in diesem Sinne hat nach § 8 AO jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Das Wesen eines Wohnsitzes besteht somit darin, dass objektiv die Wohnung dem Inhaber jederzeit, d.h. wann immer er es wünscht, als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm subjektiv zu einer entsprechenden Nutzung auch bestimmt ist.

 

Normenkette

EStG § 70 Abs. 2, § 62 Abs. 1 S. 1, § 63; AO § 8

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 15.06.2012; Aktenzeichen VI B 141/11)

 

Tatbestand

Streitig ist noch, ob die Klägerin aufgrund ihres Aufenthaltes in der Türkei im Zeitraum Januar 2002 bis November 2004 ihren inländischen Wohnsitz beibehalten bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte.

Die türkischstämmige Klägerin, die am 30.05.1979 in A-Stadt geboren wurde und bei ihren Eltern lebte, erhielt ab 06.03.1995 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Am 21.08.1999 schloss sie in der Türkei mit ihrem jetzigen Ehemann die Ehe, aus der das Kind Z, geboren am 22.11.2001, hervorging. Die Klägerin hielt sich in folgenden Zeiträumen in der Türkei auf:

15.12.2000 bis 27.03.2001

03.06.2001 bis 03.07.2001

29.12.2001 bis 28.04.2002

05.05.2002 bis 01.11.2002

27.11.2002 bis 24.05.2003

15.06.2003 bis 19.11.2003

30.01.2004 bis 25.07.2004

06.08.2004 bis 20.10.2004

23.11.2004 bis 20.05.2005

10.06.2005 bis 24.11.2005

13.12.2005 bis 16.04.2006

13.05.2006 bis 11.11.2006

18.12.2006 bis 15.04.2007

Ab dem 15.04.2007 hielt sich die Klägerin mit ihrem Kind ununterbrochen in A-Stadt auf.

Auf Antrag der Klägerin vom 04.12.2001 setzte die Familienkasse am 17.12.2001 für das Kind ab November 2001 Kindergeld fest.

Nachdem der Familienkasse bekannt geworden war, dass sich die Klägerin in den vorgenannten Zeiträumen in der Türkei aufgehalten hatte, hob sie mit Bescheid vom 21.07.2009 gemäß § 70 Abs. 2 EStG die Festsetzung des Kindergeldes u.a. für den Zeitraum November 2001 bis November 2004 auf und forderte das gezahlte Kindergeld zurück. Zur Begründung führte sie aus, die kurzen Aufenthalte zu Besuchszwecken begründeten weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.

Der dagegen eingelegte Einspruch hatte teilweise Erfolg. Mit Bescheid vom 17.09.2009 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 2002 auf. Im Übrigen wurde der Einspruch mit Entscheidung vom 22.09.2009 als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie bringt im Wesentlichen vor, sie habe ihren Wohnsitz in Deutschland nicht aufgegeben. Die räumliche Trennung vom Elternhaus während ihrer Aufenthalte in der Türkei habe nicht zur Auflösung der familiären Bindungen und zur Verlagerung des Schwerpunktes der Lebensverhältnisse in die Türkei geführt. Während dieser Zeit habe sie ihr eigenes Zimmer in der elterlichen Wohnung, in dem sich ihre persönlichen Gegenstände befunden hätten, beibehalten. Dort habe sie bis 23.11.2004 ausschließlich gewohnt. Durch die Heirat im Jahr 1999 habe sich daran nichts geändert.

Bei Antritt jeder Reise in die Türkei habe sie die Rückreise mitgebucht. Damit habe sie zum Ausdruck gebracht, dass sie ihren Wohnsitz in Deutschland nicht aufgeben wolle. So sei sie für die Geburt des Kindes nach Deutschland zurückgekehrt und habe hier sämtliche Arzttermine getätigt. Sie sei immer bestrebt gewesen, ihren Ehemann nach Deutschland zu holen. In der Türkei habe sie keine eigene Wohnung bezogen und auch keine melderechtliche Anmeldung vorgenommen. Sie habe jederzeit in die Wohnung der Eltern zurückkehren können. Nach den objektiven Wohnverhältnissen in der elterlichen Wohnung sei dort auch ein längeres Wohnen mit einem Kind möglich gewesen. Das eigene Zimmer sei nach ihren Bedürfnissen möbliert gewesen und sei während ihrer Auslandsaufenthalte unverändert geblieben. In Deutschland hätten sich auch ihr Sparkonto sowie ihre Telefonverbindung befunden. Bei den Aufenthalten in Deutschland habe es sich nicht um bloße kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte gehandelt.

Die Klägerin habe darauf geachtet, dass sie vor Ablauf von sechs Monaten wieder nach Deutschland zurückkehrte. Denn sie sei davon ausgegangen, in Deutschland eine Wohnung inne zu haben, in Deutschland krankenversichert zu sein, und einen Anspruch auf Kindergeld zu besitzen. Sie sei nach Art. 7 ARB assoziationsberechtigt, sodass sich die Frage des ausländerrechtlichen Aufenthalts abweichend von nationalen Bestimmungen beurteile. Entsprechend habe die Ausländerbehörde bis 23.11.2004 den gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin in Deutschland bestandskräftig festgestellt. Nach Auffassung des Vertreters der Klägerin sei diese ausländerrechtliche Beurteilung der Verhältnisse ...

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