Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug: nicht nachprüfbare Angabe der Anschrift des leistenden Unternehmers - Schätzung von Besteuerungsgrundlagen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Angabe einer Anschrift, an der keinerlei geschäftliche Aktivitäten des Leistenden stattgefunden haben, reicht für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht aus

2. Zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO bei fehlender Aufzeichnung der Einnahmen durch Geldverkehrsrechnungen unter besonderer Berücksichtigung der anzunehmenden Lebenshaltungskosten.

 

Normenkette

UStG §§ 14, 15 Abs. 1 Nrn. 1, 3; EWGRL 388/77 Art. 17 Abs. 2a; AO § 162

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.12.2018; Aktenzeichen V R 65/16)

BFH (Urteil vom 13.12.2018; Aktenzeichen V R 65/16)

 

Tatbestand

Streitig sind Umsatzzuschätzungen sowie Vorsteuer.

Der Kläger, der im Streitzeitraum hauptberuflich als Angestellter tätig war, hat für sein nebenberuflich betriebenes Unternehmen ("Import u. Export S") Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Streitjahre wie folgt abgegeben:

2001

2002

2004

2005

2006

Erklärungseingang

21.03.2003

08.12.2003

11.11.2005

16.02.2007

26.02.2008

Lief. & so. Leist.

7.568,00 DEM

16.974,00 €

20.992,00 €

10.897,00 €

6.392,00 €

unent. Wertabg.

2.817,00 DEM

2.548,00 €

2.516,00 €

2.398,00 €

-1.943,00 €

Vorsteuer and U

118.928,71 DEM

32.141,29 €

173.023,68 €

1.342,10 €

2.305,18 €

verbleib. USt

-120.648,40 DEM

-29.835,06 €

-170.051,55 €

784,97 €

-1.593,35 €

Zustimmung

23.04.2003

10.12.2003

keine Zust.

nicht zustbed.

allg. Zust.

Vor den Streitjahren (im Jahr 1998) wurden beim Kläger bei einer Umsatzsteuersonderprüfung die steuerpflichtigen Umsätze wegen der Fälschung von Ausfuhrnachweisen erhöht.

Der Kläger hat im Voranmeldungszeitraum 07/04 bis 12/04 Vorsteuer aus Rechnungen der EA geltend gemacht. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechnungen:

Re-Nr

Datum

Betrag Netto

USt

0001/10172/2004

22.07.2004

79.540 €

12.726,40 €

0002/10172/2004

28.07.2004

70.380 €

11.260,80 €

0003/10172/2004

25.08.2004

95.300 €

15.248,00 €

0004/10172/2004

29.08.2004

83.345 €

13.335,20 €

0005/10172/2004

14.09.2004

65.695 €

10.511,20 €

0006/10172/2004

28.09.2004

45.735 €

7.317,60 €

0007/10172/2004

07.10.2004

51.700 €

8.272,00 €

0008/10172/2004

25.10.2004

61.940 €

9.910,40 €

0008a/10172/2004

25.11.2004

95.300 €

15.248,00 €

0008b/10172/2004

30.11.2004

79.540 €

12.726,40 €

0009/10172/2004

13.12.2004

278.560 €

44.569,60 €

0010/10172/2004

22.12.2004

46.975 €

7.516,00 €

Summe

1.054.0 € 10

168.642,00 €

1.222.652 € brutto

In den Rechnungen der EA werden Sportbekleidung und Schuhe abgerechnet. Die Rechnungen weisen eine Kontoverbindung bei der „T“ auf. Letztere fusionierte bereits 1995 zur U. Sie weisen auch weder ein Zahlungsziel noch eine Quittierung des Rechnungsbetrages aus. Unter Lieferanschrift ist jeweils "Selbstabholer" eingetragen.

Zu diesen Rechnungen existieren separate Barquittungen wie folgt:

Ausstelldatum

Rechnungsdatum

Lieferdatum

Betrag

Re-Nummer

16.07.2004

22.07.2004

16.800,00 €

29.07.2004

22.07.2004

76.000,00 €

0001-10172/2004

31.08.2004

29.07/25.08/29.08.04

171.907,20 €

0002-0004/10172/2004

28.09.2004

25.08/29.08/14.09/28.09.04

131.258,80 €

0003-0006/10172/2004

12.10.2004

14.09/28.09/07.10.04

42.800,00 €

0005-0007/10172/2004

27.10.2004

28.09/07.10/25.10.04

74.000,00 €

0006-0008/10172/2004

08.11.2004

07.10./25.10.04

72.000,00 €

0007-0008/10172/2004

06.12.2004

25.10.2004

40.500,00 €

0008/10172/2004

06.12.2004

25.11.2004

110.548,00 €

0008a/10172/2004

14.12.2004

30.11.2004

75.000,00 €

0008b/10172/2004

17.12.2004

13.12.2004

250.000,00 €

0009/10172/2004

30.12.2004

13.12/22.12.04

113.250,00 €

0009-0010/10172/2004

Summe

1.174.064,00 €

Zudem existiert eine Bestätigung der EA vom 05.01.2005, worin der "Erhalt aller Geldforderungen für Rechnungen vom Jahr 2004" bestätigt wird (Ermittlungsakte II Bl 297). Bezahlt sei "in Bar am 05.01.2005" worden.

Aufgrund des aus den Rechnungen der EA resultierenden hohen Vorsteuerüberhangs begann das Finanzamt Anfang 2005 mit Ermittlungen beim Kläger, welche im Februar an die Steuerfahndung abgegeben wurden. Am 10.02.2005 leitete die Steuerfahndung beim beklagten Finanzamt ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer 07/04 bis 12/04 ein.

Am 15.02.2005 wurde u.a. in den Wohn- und Geschäftsräumen des Klägers eine richterlich angeordnete Durchsuchung durchgeführt. Da bei dieser u.a. Briefköpfe eines in der Buchführung des Klägers aufgeführten Lieferanten (Fa. F) gefunden wurden, erweiterte die Steuerfahndung das Strafverfahren (nur) auf die Umsatzsteuer 2000 - 2003 und teilte dies dem Kläger persönlich mit.

Bei der Durchsuchung wurde auch der Laptop-Rechner des Klägers sichergestellt. Darauf fand die Steuerfahndung Dateifragmente, die den streitigen Eingangsrechnungen der EA zuzuordnen sind (in den Akten finden sich Fragmente der Rechnungen Nr. 0009/10172/20045 und 0010/10172/20041 sowie der Quittungen über 72.000 € zu den Rechnungen 0007 und 0008/10172/2004, über 40.500 € zur Rechnung Nr. 0008/10172/2004...

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