Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorliegen eines Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip durch die Einführung eines einheitlichen Steuersatzes für Einkünfte aus Kapitalvermögen ab dem Veranlagungszeitraum 2009?

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einer Klage fehlt in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Steuerbescheid in dem verfassungsrechtlichen Streitpunkt vorläufig ergangen ist, die verfassungsrechtliche Streitfrage sich in einer Vielzahl im Wesentlichen gleichgelagerter Verfahren stellt und bereits ein nicht von vornherein aussichtsloses Musterverfahren beim BVerfG anhängig ist.

2. Die unterschiedlichen Tarife für die Einkünfte aus Kapitalvermögen und für die übrigen Einkunftsarten verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Insbesondere wird nicht der Gleichheitssatz nach Art 3 Abs. 1 GG verletzt.

 

Normenkette

EStG §§ 30, 33a, 32d; GG Art. 20, 14

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die einkommensteuerrechtlichen Normen, die der Steuerfestsetzung des Klägers zugrunde liegen, gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstoßen.

Der Kläger erzielte im Veranlagungszeitraum 2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus selbständiger Arbeit, jedoch keine Einkünfte aus Kapitalvermögen. Mit Bescheid vom 04.12.2012 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2011 auf 9.804 € und den Solidaritätszuschlag dazu auf 539,22 € fest. Das zu versteuernde Einkommen des Klägers beträgt im Streitjahr 42.453 €.

Mit Einspruchsentscheidung vom 08.03.2013 wies das Finanzamt den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 04.12.2012 als unbegründet zurück und führte aus, der Kläger nenne in seiner Begründung keinen Gesichtspunkt, der seinen Einzelfall betreffe. Er rüge die Rechtswidrigkeit des deutschen Steuersystems allgemein. Die vom Kläger allgemein aufgeworfenen Fragen nach der Gerechtigkeit des deutschen Steuersystems seien nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit eines auf der Grundlage des geltenden Rechts ergangenen Bescheids in Frage zu stellen.

Die Einkommensteuerfestsetzung ist teilweise vorläufig hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben, der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften nach § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG und der Höhe des Grundfreibetrags (§ 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).

Mit seiner Klage begehrt der Kläger sinngemäß den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 04.12.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.03.2013 dahin zu ändern, dass die festgesetzte Einkommensteuer einschließlich des Solidaritätszuschlages dem Grundgesetz und insbesondere dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht.

Zur Begründung macht der Kläger insbesondere die Verfassungswidrigkeit des Einkommensteuertarifs geltend.

Der Gesetzgeber habe das soziokulturelle Existenzminimum in nicht ausreichenden Umfang von der Besteuerung freigestellt.

Es verstoße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, wenn der Kläger bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 48.409 € netto einen geringeren Anteil als 50 vom Hundert zur freien Verfügung bleiben als bei einem anderen Steuerpflichtigen mit einer steuerlichen Bemessungsgrundlage von 12.000.000 €.

Zudem verstoße es gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausfluss des Gleichheitsgrundsatzes des Grundgesetzes, wenn der Gesetzgeber bestimmte Einkunftsarten einem progressiven Steuertarif unterwerfe und andere Einkunftsarten, wie z.B. die Einkünfte aus Kapitalvermögen, nicht. So habe der Kläger bei einem zu versteuernden Einkommen von 42.453 € weitere 100 € mit einem höheren Einkommensteuersatz zuzüglich Solidaritätszuschlag zu versteuern, während bei Einkünften aus Kapitalvermögen diese weiteren 100 € nur mit 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag zu versteuern seien. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen dürfe es aber keinerlei Unter-schied machen, welche Art von Einkünften der Steuerpflichtige erziele.

Weiter verstoße es gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, wenn der Kläger bei einem zu versteuernden Einkommen von 42.453 € durch die „kalte Progression” nachweislich mehr belastet werde als ein vergleichbarer Steuerpflichtiger mit einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 13,2 Mio. €. Bei einem konstanten Steuersatz könne auch keine kalte Progression auftreten. Dies sei ein Verstoß gegen die horizontale Steuergerechtigkeit.

Schließlich verstoße es gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, dass der Gesetzgeber die Vermögensteuer im Jahr 1997 habe auslaufen lassen, obwohl das BVerfG die Vermögensteuer grundsätzlich für zulässig erklärt habe, jedoch eine gleichmäßige Besteuerung der Vermögenswerte bis Ende 2006 verlangt habe. Dieser Forderung sei die Bundesregierung nicht nachgekommen. Nun werde auch bei einem Vermögen von 17 Milliarden € keine Vermögensteuer erhoben, während den Kläger bei einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 42.453 € eine Zahllast für Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von 10.343,22 € treffe.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuw...

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