Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendigkeit von Gutachten bei alternativen Heilbehandlungsmethoden

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Bei Maßnahmen, die nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Erforderlichkeit daher schwer abzuschätzen ist, setzt die Abziehbarkeit der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches medizinisches Gutachten voraus, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der Behandlung zweifelsfrei ergibt.

2) Konnte der Steuerpflichtige die Notwendigkeit einer vorherigen Begutachtung objektiv nicht erkennen oder kann der Amtsarzt anhand erstellter und nachprüfbarer medizinischer Untersuchungen die Notwendigkeit der Behandlungen nachträglich noch zuverlässig beurteilen, kann ausnahmsweise auf ein im Voraus erstelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten verzichtet werden.

3) Eine Lese- und Rechtschreibschwäche stellt nur dann eine Krankheit dar, wenn die Schwäche auf einer isolierten Störung der für das Lesen und Schreiben notwendigen Wahrnehmungsfunktion beruht, also eine Hirnfunktionsstörung vorliegt.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.11.2010; Aktenzeichen VI B 101/10)

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen für alternative Heilbehandlungsmethoden als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden können.

Die Kläger wurden im Streitjahr 2007 als Eheleute gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Sie sind die Eltern der beiden Kinder K1. und K2.

In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger außergewöhnliche Belastungen in einer Höhe von insgesamt 10.567,38 EUR geltend. Der Beklagte erkannte den Teil der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen an, der auf Kosten für Ärzte, Arzneimittel und ärztliche Behandlungen entfiel, kürzte diesen Betrag um die zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und zog vom Gesamtbetrag der Einkünfte einen Betrag in Höhe von 947 EUR ab.

Bei folgenden Aufwendungen vertrat der Beklagte hingegen die Auffassung, es könne sich mangels eines im Voraus erstellten amtsärztlichen Attests nicht um außergewöhnliche Belastungen handeln:

1. Lerntherapie X. (Förderung von K1. im schulischen Bereich)

1.575,00 EUR

2. Y. Lerntherapie (Förderung von K1. im schulischen Bereich)

540,00 EUR

3. Behandlung S. Z. (energetische Heilbehandlungen bei den Kindern ud der Klägerin)

570,00 EUR

4. Behandlungen A. Q. (ganzheitliche Beratung und Behandlung und Energieberatung bei der Klägerin)

1.370,00 EUR

5. Arbeit N. V. (Feng Shui-Arbeiten in Haus und Garten/Kristallarbeit)

1.270,00 EUR

6. Behandlungen R (Fortbildung Spirituelles Lebensmanagement und Beratung)

1.888,55 EUR

7. Fahrtkosten zu den Behandlungen und Sitzungen

942,00 EUR

8.155,55 EUR

Auf die zum Beleg für die Aufwendungen zur Einkommensteuerakte gereichten Rechnungen wird inhaltlich Bezug genommen.

Gegen den Einkommensteuerbescheid legten die Kläger erfolglos. Einspruch ein.

Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage verfolgen die Kläger weiterhin das Ziel, dass auch die geltend gemachten 8.155,55 EUR als außergewöhnliche Belastungen vom Gesamtbe-trag der Einkünfte abgezogen werden können.

Sie tragen vor, die Aufwendungen hätten der Beseitigung von Krankheiten gedient. Die Tochter K2… habe an unerklärlichen Ohnmachtsanfällen gelitten, bei deren Behandlungen ärztliche Therapien versagt hätten. Erst durch die Behandlung bei Frau Z., R und Frau Q. habe die Ursache dieser Leiden ausfindig gemacht werden können. K2. habe daher auf (von Schulmedizinern verschriebene) Medikamente verzichten können, die bei ihr Übelkeit, Hautausschläge, Erbrechen und Kopfschmerzen hervorgerufen hätten.

Zudem leide K1. an einer Lese- und Rechtschreibschwäche. Diese stelle stets eine Krankheit dar, weil eine Lese- und Rechtschreibschwäche stets auf psychischen oder physischen Störungen beruhe. Hinzu komme, dass K1. unter Problemen mit Mitschülern und Lehrern gelitten habe. Durch die Behandlung von Frau Z. und den Besuch der Lerntherapien habe er erhebliche Hilfeleistungen bekommen und große Fortschritte im schulischen Bereich gemacht.

Auch bei dem Krankheitsbild der Klägerin (Müdigkeitserscheinungen und schlechtes Blutbild aufgrund von Eisenmangel) hätten ärztliche Behandlungen keinen Erfolg gebracht. Erst durch die Alternativmethoden sei eine Besserung eingetreten.

Innerhalb der Familie habe ferner eine familiäre Problematik psychischen Ursprungs vorgelegen. Diese habe durch das Lebensmanagement und die Beratung bei R aufgelöst werden können.

Die Kläger meinen, bei der Behandlung solcher Krankheiten sei für die Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen kein amts- oder vertrauensärzt-liches Attest erforderlich. Es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), wenn bei der Behandlung mittels Alternativmethoden ein ärztliches Attest verlangt werde. Hierdurch würden die...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge