Entscheidungsstichwort (Thema)

Behandlung eines Forderungsverzichts bei einem Teilwert über dem bilanzierten Wert

 

Leitsatz (redaktionell)

Verzichtet der Gesellschafter aus gesellschaftsrechtlichen Gründen auf eine Forderung gegenüber der Kapitalgesellschaft, deren Teilwert höher ist als der bei der Kapitalgesellschaft bilanzierte Wert, führt dieses zu einer Einkommensminderung in Höhe der Differenz zwischen Teilwert und Buchwert bei der Kapitalgesellschaft.

Zur Schätzung der Laufzeit und des Abzinsungsfaktors von Forderungen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 5, 1 S. 3; HGB § 272 Abs. 2 Nr. 4; EStG § 4 Abs. 1 S 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bemessung von verdeckten Einlagen aufgrund von im Streitjahr 2003 erklärten Verzichten der Gesellschafter der Klägerin auf Zinsforderungen aus einem von ihnen gewährten Gesellschafterdarlehen sowie auf einen Teilbetrag des Gesellschafterdarlehens selbst.

Die Klägerin, eine GmbH, wurde im Jahr 2000 unter der Firma A-GmbH mit Sitz in X-Stadt gegründet. Noch im selben Jahr wurde die Firma in die jetzige Firma B-GmbH geändert und im Jahr 2001 der Sitz nach Y-Stadt verlegt. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war der Erwerb und die Veräußerung der C-GmbH sowie von anderen in- und ausländischen Unternehmen, die im Wesentlichen mit der … befasst sind, und deren Verwaltung als geschäftsführende Holdinggesellschaft.

Gesellschafter der Klägerin waren während des in Rede stehenden Zeitraums mehrere sog. private equity-Fonds sowie weitere Gesellschaften und natürliche Personen. Im Jahr 2000 erwarb die Klägerin die … sparte des …-Konzerns bzw. die hierzu gehörenden Beteiligungen und sonstigen Wirtschaftsgüter, wobei zum Teil auch neue Gesellschaften gegründet wurden. Zur Finanzierung des Erwerbs gewährte ein Teil der Gesellschafter der Klägerin mit Vertrag vom 31.5.2000 ein Darlehen über insgesamt 72.500.000 EUR, das mit dem Vollzug („completion”) des vorgenannten Erwerbs abrufbar war (Ziff. 2 des Darlehensvertrags).

Im (nur in englischer Sprache vorliegenden) Darlehensvertrag war u.a. Folgendes geregelt:

  • Die Rückzahlung des Darlehens sollte in einer Summe entweder nach Ablauf von 12 Jahren nach ihrem Abruf oder bei einem vor diesem Zeitpunkt liegenden Eintritt bestimmter Ereignisse erfolgen. Als Ereignisse im vorgenannten Sinne waren zum einen ein Verkauf der Anteile an der Klägerin („sale”) und zum anderen ihr Börsengang („listing”) bezeichnet (siehe Ziff. 3.1 des Darlehensvertrags).
  • Der Zinssatz betrug 10 % bis zum 31.5.2002 und stieg danach mit jedem Jahr um einen Prozentpunkt bis auf 15 % ab dem 1.6.2006 an (siehe Ziff. 4.2 des Darlehensvertrags).
  • Die Zinsen waren sämtlich erst mit Endfälligkeit des Darlehens zu entrichten (siehe Ziff. 4.1 des Darlehensvertrags). Eine Verzinsung der noch nicht entrichteten Zinsen war nicht vereinbart.
  • Der Klägerin war zu vorzeitigen Tilgungen ohne Anfall einer Vorfälligkeitsentschädigung berechtigt (unter Einhaltung einer einmonatigen Anzeigefrist, Mindestbetrag jeder Tilgung 100.000 EUR bzw. ein Vielfaches dieses Betrags). Die Tilgungen waren hierbei vorrangig mit den bis dahin aufgelaufenen Zinsforderungen zu verrechnen (siehe Ziff. 3.2 des Darlehensvertrags).
  • Den Darlehensgebern standen außerordentliche Kündigungsrechte für bestimmte Situationen zu (etwa Liquidation oder Insolvenz der Klägerin, Verstöße der Klägerin gegen den Darlehensvertrag, bestimmte Beteiligungsverkäufe an der Klägerin, siehe im Einzelnen Ziff. 6 des Darlehensvertrags).
  • Das Darlehen wurde ohne Sicherheit gewährt.

Mit Einbringungserklärung vom 15.7.2003 verpflichteten sich die darlehensgebenden Gesellschafter, einen Betrag i.H.v. insgesamt 19.176.084,48 EUR als Gesellschaftereinlage in die Kapitalrücklage der Klägerin i.S.v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB einzustellen. Des Weiteren heißt es in der Erklärung, die Gesellschaftereinlagen würden dadurch erbracht, dass der jeweilige Gesellschafter auf seine bis zum 31.12.2002 aufgelaufenen Zinsforderungen aus dem Darlehensvertrag vom 31.5.2000 verzichtet. Mit einem weiteren Gesellschafterbeschluss vom 23.12.2003 verzichteten die darlehensgebenden Gesellschafter auf einen Teilbetrag der Darlehensforderung i.H.v. insgesamt 9.500.000 EUR. Des Weiteren verzichteten sie auf ihre vom 1.1.2003 bis zum 31.12.2003 aufgelaufenen Zinsforderungen i.H.v. insgesamt 8.402.054,78 EUR. Beide Beträge sollten auch hier in die Kapitalrücklage der Klägerin i.S.v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB eingestellt werden.

In ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2003 stellte die Klägerin die vorgenannten Beträge in ihre Kapitalrücklage ein und behandelte die Forderungsverzichte auf diese Weise erfolgsneutral. Die Klägerin wurde zunächst erklärungsgemäß zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag veranlagt.

Im Rahmen einer im Jahr 2006 durchgeführten Außenprüfung für die Jahre 2001 bis 2003 kam die Bp zu der folgenden Beurteilung (siehe im Einzelnen Bp-Bericht vom 28.12.2006 Tz 2.6): Die Forderungsverzichte hätten zu einem vermögensmehrenden Wegfall der entsp...

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