Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschaffung des sog. Besucherfreibetrages verfassungsgemäß

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Abschaffung des sog. Besucherfreibetrages (§ 33a Abs. 1a EStG) durch das Steuerreformgesetz 1990 war nicht verfassungswidrig.

 

Normenkette

EStG § 33a Abs. 1a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.06.2004; Aktenzeichen III R 141/95)

BFH (Urteil vom 24.06.2004; Aktenzeichen III R 141/95)

BFH (Beschluss vom 26.10.1994; Aktenzeichen III B 19/93)

 

Gründe

Streitig ist, ob die Abschaffung des sogenannten Besucherfreibetrages gemäß § 33 a Abs. 1 a Einkommensteuergesetz (EStG) 1987 a.F. durch Art. 1 Nr. 29 b Steuerreformgesetz 1990 (Bundessteuerblatt – BStBl – I 1988, 224, 231) verfassungswidrig ist, ob Kosten für die Kontaktpflege des Klägers (Kl.) mit seinen Kindern steuermindernd zu berücksichtigen sind und ob die im Streitjahr geltenden einkommensteuerrechtlichen Regelungen über den Kinderlastenausgleich verfassungsgemäß sind.

Der Kl. ist seit 1983 geschieden. Aus der geschiedenen Ehe stammen zwei Kinder, die im Streitjahr beim anderen Elternteil gemeldet und steuerlich zugeordnet waren und für die der Kl. Kinderfreibeträge in Höhe von jeweils 1.512,– DM erhielt.

Der Beklagte (Bekl.) gewährte den vom Kl. geltend gemachten Besucherfreibetrag nicht. Der ESt-Bescheid für das Streitjahr erging vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter anderem im Hinblick auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12.6.1990 zum Kinderlastenausgleich. Nachdem im erfolglosem Einspruchsverfahren zunächst die Verfassungswidrigkeit der Abschaffung des Besucherfreibetrags gerügt wurde, begründet der Kl. seine Klage nunmehr zusätzlich mit der Verfassungswidrigkeit der Regelungen über den Kinderlastenausgleich. Er behauptet, für das Streitjahr seien ihm für die Kontaktpflege mit seinen Kindern insgesamt 5.606,32 DM Kosten entstanden, die sich aus Fahrtkosten, Urlaubskosten und Kosten für Bekleidung und Reparaturen an Fahrrädern zusammensetzten.

Der Kl. beantragt sinngemäß,

  • den ESt-Bescheid 1990 vom 13.6.1991 in der Fassung der Einspruchsentscheidung (EE) vom 12.2.1992 dergestalt abzuändern,
  • daß weitere 5.606,32 DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.

Der Bekl. beantragt,

  • die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die geltende Rechtslage, nach der der Besucherfreibetrag nicht gewährt werden könne.

Die Klage ist unbegründet.

I.

Ein Ruhen des Verfahrens gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 251 Zivilprozeßordnung (ZPO) kam nicht in Betracht, weil der Bekl. hierzu nicht zugestimmt hat (Bundesfinanzhof – BFH – in BStBl II 1990, 944, 945). Das Verfahren war auch nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen, denn die Frage der Gültigkeit des Art. 1 Nr. 29 b Steuerreformgesetz 1990 ist nicht vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig (BFH in BStBl II 1992, 408). Bloße verfassungsrechtliche Einwendungen sind nicht geeignet, eine Aussetzung gemäß § 74 FGO zu rechtfertigen (BFH in BStBl II 1992, 408, 410 und BFH in BFH/NV 1992, 754). Eine Aussetzung des Verfahrens wegen der angeblichen Verfassungswidrigkeit der Regelungen über den Kinderlastenausgleich scheitert schon daran, daß der Bekl. die Steuer für das Streitjahr im Hinblick auf diesen Umstand vorläufig gemäß § 165 AO festgesetzt hat. Dadurch entfällt der Grund für die Aussetzung des Klageverfahrens (BFH in DStR 1992, 819, 820).

II.

Der Senat ist nicht der Auffassung, daß die Abschaffung des sogenannten Besucherfreibetrags verfassungwidrig ist. Der Besucherfreibetrag mag aus der Sicht der begünstigten Elternteile wünschenswert und sinnvoll gewesen sein, seine Abschaffung hielt sich jedoch im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens. Nicht jede Abschaffung von Steuervergünstigungen, und um eine solche handelte es sich beim Freibetrag gemäß § 33 a Abs. 1 a EStG 1987 a.F., ist verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß ein schutzwürdiges Vertrauen in die Fortgeltung des geltenden Rechts grundsätzlich nicht anerkannt werden kann (Tipke, Steuerrecht, 11. Aufl., 1987 S. 54 mit Nachweisen).

Es besteht keine aus der Verfassung herzuleitende Verpflichtung des Gesetzgebers, den Besucherfreibetrag aufrechtzuerhalten, denn das Grundgesetz beinhaltet insoweit keinen Auftrag, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht umgrenzt.

Ein solcher Auftrag ergibt sich nicht aus Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG). Zwar stellt das Elternrecht nicht lediglich ein Abwehrrecht gegen den Staat dar, sondern auch die Grundlage für ein subjektives Recht der Eltern (Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, GG Bd. 1, Art. 1 – 12, München 1991, Art. 6 Rdnr. 31). Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 35, 79 erwächst aus der Wertentscheidung des GG. dem Träger des Grundrechts ein Recht auf solche staatlichen Maßnahmen, die zum Schutz seines Freiheitsraumes unerläßlich sind. Der Besucherfreibetrag ist jedoch nicht unerläßlich für die Pflege, Erziehung und den Kontakt des Kl. mit seinen nicht in seinem Haushalt lebenden Kindern. Für die insoweit entstehend...

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