Entscheidungsstichwort (Thema)

Errichtung eines Gebäudekomplexes, Frage der Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach Flächen- oder Umsatzschlüssel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug ist die objektiv belegbare Absicht des Unternehmers maßgebend, die bezogenen Leistungen für besteuerte Ausgangsumsätze zu verwenden, sofern sie tatsächlich erst in einem späteren Besteuerungszeitraum verwendet werden. Die Stpfl. hatte zur Überzeugung des Senats nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ursprünglich die Absicht, die Räumlichkeiten im 1. OG des Neubaus als Bürofläche steuerpflichtig zu vermieten, d.h. auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG gem. § 9 UStG zu verzichten.

2. Die Ermittlung des abziehbaren Teils der in den Streitjahren angefallenen Vorsteuerbeträge hat nach Maßgabe des § 15 Abs. 4 UStG und dabei jeweils anhand des objektbezogenen Umsatzschlüssels zu erfolgen. Das beklagte FA hat zu Unrecht den Flächenschlüssel angewandt.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 4, § 9; MwStSystRL Art. 168; UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen aus dem Bezug von Leistungen für die Errichtung und teilweise Sanierung eines einheitlichen Gebäudekomplexes nach dem sog. Flächen- oder Umsatzschlüssel zu erfolgen hat.

Die Klägerin ist Eigentümerin des in N gelegenen Grundstückes A-Str. /B-Str., welches ursprünglich mit einem zweigeschossigen Gebäude nebst seitlichem Anbau und einem an der B-Str. gelegenen Gebäude bebaut war. Das an der B-Str. gelegene Gebäude stand und steht weiterhin unter Denkmalschutz. In 2006 begann die Klägerin mit einer umfassenden Neugestaltung des gesamten Grundstücks. Hierzu wurde das bisherige Gebäude nebst seitlichem Anbau, nicht jedoch das denkmalgeschützte Gebäude abgerissen. Auf dem hinteren Bereich des Grundstücks errichtete die Klägerin einen zweiteiligen Baukörper. Der Hauptkörper bestand aus einem fünfgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus mit einem ausgebauten Dachgeschoss. An dem Hauptkörper schloss sich ein Zwischenbau an, der aus drei Vollgeschossen mit Flachdach und einem Untergeschoss bestand. Hauptkörper und Zwischenbau bildeten zusammen den Neubau des Gebäudekomplexes. Der Zwischenbau bildete die Verbindung (Verbindungsbau) zwischen dem neu errichteten Hauptkörper mit dem erhaltenden denkmalgeschützten Gebäude (Altbau). Die Raumhöhen im Neubau betrugen im Erdgeschoss (EG) 3,66 m, im 1. und 2. Obergeschoss (OG) 3,23 m, im 3. OG 2,73 m und im 4. OG 2,55 m. Die Stärke (Dicke) der errichteten Wände betrugen im EG und im 1. OG zwischen 50-81 cm, im 2. und 3. OG zwischen 11,5-50 cm und im 4. OG zwischen 25-30 cm. Abweichend von den anderen Etagen wurden im EG und im 1. OG keine Zwischenwände errichtet. Zur Aufrechterhaltung der Statik wurden im EG und im 1. OG Stützpfeiler eingebaut.

Der denkmalgeschützte Altbau blieb in seiner bisherigen Bausubstanz erhalten und wurde saniert sowie zur Beherbergung eines Gastronomiebetriebes umgestaltet. Zu der erhaltenen Bausubstanz gehörte das Mauerwerk, das teilweise in Fachwerkbauweise errichtet worden war. Eine vorhandene Holzbalkendecke wurde aufgearbeitet und nach Maßgabe der hierfür geltenden Brandschutzauflagen neu hergerichtet. Hinsichtlich der bereits ursprünglich vorhandenen Holzgeländer im Treppenhaus, der Gauben- sowie der übrigen Holzfenster wurde ebenso verfahren. Der Altbau umfasste nach Fertigstellung drei Vollgeschosse mit einem aufstehenden Dachgeschoss sowie einem Untergeschoss.

Die beiden Untergeschosse des Hauptgebäudes (Neubau) werden seit ihrer Fertigstellung als Tiefgarage, für die Haustechnik sowie als Fahrrad- und Kellerräume genutzt.

Nach Abschluss der Baumaßnahmen wurden die Geschäfts- und Wohneinheiten im gesamten Gebäudekomplex A-Str. /B-Str. ab September 2009 mit einer Ausnahme vermietet. Allein das 1. OG im Neubau wurde zunächst bis Oktober 2010 nicht vermietet. Ab November 2010 wurde die Geschäftseinheit umsatzsteuerfrei an den Inhaber einer ärztlichen …praxis (…-Praxis) vermietet.

Die Geschäfts- und Wohneinheiten wurden danach wie folgt vermietet:

Etage

Neubau

Verbindungsbau

Altbau

EG

Ladenlokal Einzelhandel (stpfl.)

Gastronomie (stpfl.)

1.

…-Praxis (stfr.)

Anwaltskanzlei (stpfl.)

2.

Büroräume: Fortbildungsunternehmen (stfr.)/ Unternehmensberatung (stpfl.)

Arztpraxis (stfr.)

3.

Wohnung (stfr.)

Wohnung (stfr.)

4.

Wohnung (stfr.)

Wohnung (stf.)

Für die Neuerrichtung und Sanierung des Gebäudekomplexes A-Str. /B.Str. wurden der Klägerin für die Bauleistungen insgesamt folgende Umsatzsteuerbeträge in Rechnung gestellt, von denen sie 68,8 % als abzugsfähige Vorsteuern behandelte. Den abzugsfähigen Anteil an Vorsteuern ermittelte sie dabei nach dem sog. Umsatzschlüssel:

Jahr

In Rechnung gestellte Umsatzsteuern

abzugsfähiger Vorsteueranteil nach dem Umsatzschlüssel (68,8 %)

2006

12.732,65 €

8.760,06 €

2007

19.323,81 €

13.294,78 €

2008

465.485,71 €

320.254,17 €

2009

757.970,99 €

521.484,04 €

Der Beklagte führte bei der Klägerin beginnend am...

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