Entscheidungsstichwort (Thema)

Pfändungs- und Einziehungsverfügung aufgrund eines Beitreibungsersuchens eines anderen EU-Mitgliedstaates

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Für die Beitreibung von Steuerforderungen anderer EU-Mitgliedsstaaten (hier Luxemburg) ist im Vollstreckungsstaat (hier Deutschland) kein gesondertes Leistungsgebot erforderlich.

2) Im Vollstreckungsstaat können keine Einwendungen gegen den titulierten Anspruch selbst geltend gemacht werden.

3) Ein Verstoß gegen den ordre public des Vollstreckungsstaates wird nach den Vorschriften des EUBeitrG durch die Gerichte des ersuchten Staates nicht mehr geprüft.

 

Normenkette

AO § 314; FGO § 69; EUBeitrG §§ 9-10; AO § 309

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller wendet sich im hiesigen, auf Aussetzung der Vollziehung gerichteten Verfahren gegen eine aufgrund eines Beitreibungsersuchens des luxemburgischen Staates vom Antragsgegner erlassene Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 05.06.2020.

Nach eigenen Angaben erhielt der Antragsteller einen Anfechtungsbescheid der luxemburgischen Finanzverwaltung wegen Lohnsteuerzahlungen. Mit Schreiben vom 28.08.2018 wandte er sich gegen diesen Bescheid, der sich weder in der beigezogenen Beitreibungsakte des Antragsgegners befindet, noch durch den Antragsteller vorgelegt worden ist. Zur Begründung führte er aus, dass nicht er, sondern die E GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) der richtige Adressat der Forderung sei.

Mit an die Anschrift des Antragstellers gerichtetem Bescheid von „LE GOUVEREMENT DU GRAND-DUCHE´DE LUXEMBOURG Administration des contribution directes Bureau de recette Luxenbourg” vom 12.12.2018 wurde die KG mit der Betriebsstätte Luxemburg unter der Adresse A-Straße 1 in L hinsichtlich Lohnsteuer und Nebenleistung in Höhe von insgesamt X € in Anspruch genommen. Daraufhin zeigte der Antragsteller durch Schreiben vom 17.12.2018 gegenüber den luxemburgischen Finanzbehörden an, dass die KG nicht unter dieser Anschrift, sondern unter der Adresse B-Straße 2 in C firmiere. Er wies darauf hin, dass über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet und als Insolvenzverwalter Herr T, ebenfalls ansässig B-Straße 2 in C, bestellt sei. Nach Angaben des Antragstellers erfolgte keine Reaktion der luxemburgischen Behörden hierauf.

Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich, dass der Antragsgegner von dem Finanzamt Direction des Contributions Bureau de recette Luxembourg im Wege des Ersuchens um Beitreibung und/oder Sicherungsmaßnahmen nach dem Beitreibungsgesetz der Europäischen Union aufgefordert worden ist, aus Haftungsbescheiden zu vollstrecken. Dieses Amtshilfeersuchen beruht auf dem Gesetz vom 07.12.2011 über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Bundesgesetzblatt – BGBl – I 2011, 2592, im Folgenden: EUBeitrG) sowie der diesem Gesetz zu Grunde liegenden Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. L 84 vom 31.03.2010, im Folgenden: EUBeitrRL). Ausweislich der Angaben in dem zu diesem Zwecke übersandten einheitlichen Vollstreckungstitel handelte es sich bei den beizutreibenden Forderungen um solche aus einem gegenüber dem Antragsteller von den luxemburgischen Steuerbehörden erlassenen Haftungsbescheid für Steuerschulden der KG vom 03.11.2017. Dieser liegt dem erkennenden Senat im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vor, da er sich weder in der beigezogenen Beitreibungsakte des Antragsgegners befindet, noch von dem Antragsteller vorgelegt worden ist.

Der Antragsgegner stellte dem Antragsteller zunächst eine Zahlungsaufforderung vom 02.09.2019, hinsichtlich deren Einzelheiten auf das in der beigezogenen Beitreibungsakte des Antragsgegners enthaltene Exemplar Bezug genommen wird, mit Postzustellungsurkunde zu. Darin waren die Steuerschulden, wegen der das Vollstreckungsersuchen an den Antragsgegner ergangen war, mit insgesamt X € beziffert. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit seinem beim Finanzgericht (FG) Münster gestellten, auf Aussetzung der Vollziehung dieser Zahlungsaufforderung gerichteten Antrag (Az.: 11 V 2824/19 AO). Durch Beschluss vom 09.10.2019 lehnte das FG Münster diesen Antrag ab.

Am 22.10.2019 erließ der Antragsgegner daraufhin eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung für die Beitreibungsforderung in Höhe von X EUR gegenüber der kontoführenden Bank des Antragstellers, der Bank 1 (im Folgenden: Bank 1). Diese Verfügung wurde der Bank 1 am 24.10.2019 zugestellt, enthielt das Geschäftszeichen „…” und wies –u.a.– den folgenden Wortlaut auf:

„Herr R (…) schuldet dem Land Nordrhein-Westfalen Abgaben in Höhe von X EUR. (…)”

Daraufhin stellte der Antragsteller einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung. In dem unter dem Az. 11 V 3213/19 AO geführten Verfahren hob das Finanzgericht Münster durch Beschluss vom...

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