Entscheidungsstichwort (Thema)

Entzug der Gemeinnützigkeit führt nicht zwangsläufig zur Haftung. Haftung nach § 10 b EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Entzug der Gemeinnützigkeit eines Vereins führt nicht zur Haftung wegen fehlerhafter Mittelverwendung, wenn die Mittel tatsächlich zu steuerbegünstigten Zwecken verwendet worden sind. Hat das FA die Frage der Mittelverwendung nicht ausreichend geprüft, so ist eine Haftungsinanspruchnahme nach § 10b Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 EStG, § 9 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG ermessensfehlerhaft.

 

Normenkette

EStG § 10b Abs. 4 S. 2 Alt. 2; KStG § 9 Abs. 3 S. 2 Alt. 2

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom 2.7.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 1.3.2002 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger (Kl) ist ein eingetragener Verein mit dem Namen „…”. Er wurde am 20.12.1988 gegründet. Vorstand war von Anfang an Herr K.

Der Verein hat lt. § 2 Abs. 2 der Satzung den Zweck, „Aufklärungs-, Informations- und Anregungsfunktionen gegenüber seinen Mitgliedern sowie indirekt auch gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit auszuüben, und somit im Sinne des § 10b Abs. 1 EStG und des dort angeführten Zweckes der Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung tätig zu werden.”

Der Kl wurde für die Jahre 1997 bis 1999 vorläufig als gemeinnützig anerkannt. In den Jahren 2000/2001 wurde eine sog. betriebsnahe Veranlagung durchgeführt. Die Prüfer stellten fest, die Ausgaben für die allgemeine Verwaltung hätten sich auf über 70 v.H. der gesamten Ausgaben belaufen. Außerdem seien Aufwandsspenden geleistet worden, die nicht ordnungsgemäß erfasst worden seien. Weiterhin habe der Verein Herrn K durch unangemessene Vergütungen begünstigt. In der Mitgliederversammlung vom 15.10.1998 sei beschlossen worden, dass Herr K für seine in den Jahren 1988 bis 1997 verrichtete Vorstandstätigkeit eine Vergütung von … DM erhalten sollte. Um diese Zahlung leisten zu können, habe dieser zuvor dem Verein ein Darlehen gegeben. Die Prüfer stellten außerdem fest, dass Herr K dem Kl bereits im Dezember 1992 und im Dezember 1997 zu 9,9 v.H. verzinsliche Darlehen von 65.000 DM bzw. 40.000 DM gegeben hatte, die im Januar 1999 in Höhe von 105.000 DM zurückgezahlt wurden. Im Januar 1999 gewährte Herr K dem Verein ein zu 5 v.H. verzinsliches Darlehen von 120.000 DM, das im Mai zurückgezahlt wurde. In eben diesem Monat gewährte Herr K dem Verein ein weiteres Darlehen von 95.000 DM, verzinslich zu 5 v.H. Die Darlehensbeträge wurden z.T. als Termingelder angelegt, in Höhe von … DM an Herrn K als Vergütung/Aufwandsentschädigung und in Höhe von 49.100 DM als Zinsen gezahlt. … Aus den angeführten Gründen sei der Verein in den Streitjahren nicht als gemeinnützig anzuerkennen.

Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) erließ unter dem Datum des 1.8.2001 für die Jahre 1997 – 1999 Körperschaftsteuerbescheide, in denen jeweils ein zu versteuerndes Einkommen von Null DM und eine Körperschaftsteuer von Null DM festgesetzt wurde. In den Erläuterungen zu den Bescheiden wird unter Hinweis auf den Prüfungsbericht ausgeführt, dass die Gemeinnützigkeit für den Veranlagungszeitraum 1997 (bzw. 1998, 1999) nach der Überprüfung durch die betriebsnahe Veranlagung abzuerkennen sei. Gegen die Bescheide wandte sich der Kl mit Einspruch und Klage (Az. 6 K 1426/02).

Unter dem Datum des 20.7.2001 erließ das FA gegenüber dem Kl einen Haftungsbescheid, der die Jahre 1997 bis 1999 umfasst und durch den der Kl für Beträge von 15.444 DM (1997), 4.140 DM (1998) und 13.806 DM (1999) in Anspruch genommen wird. Das FA führt

in dem Bescheid aus, der Kl habe unrichtige Zuwendungsbestätigungen ausgestellt. … Außerdem habe der Vereinsvorsitzende Vergütungen ohne vorherige klare und eindeutige Vereinbarung erhalten. Der Verein sei daher nicht gemeinnützig gewesen. Er habe grob fahrlässig bzw. vorsätzlich unrichtige Zuwendungsbestätigungen ausgestellt. Der Haftungstatbestand nach § 10b Abs. 4 Satz 2, Alt. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 9 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sei erfüllt. In dem Bescheid ermittelte das FA die Haftungsbeträge in Höhe von 40 v.H. der erhaltenen Spenden (ohne Aufwandsspenden), nach einem Abschlag von 10 v.H. Gegen den Bescheid wandte sich der Kl mit Einspruch, der ohne Erfolg blieb (Einspruchsentscheidung vom 1.3.2002). In der Rechtsbehelfsentscheidung stützte sich das FA auf den Haftungstatbestand nach § 9 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 EStG, § 9 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG.

Zur Begründung der anschließend erhobenen Klage bezieht sich der Kl im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Klageverfahren 6 K 1426/02 und führt ergänzend aus: Das FA habe den Haftungsbescheid zu einem Zeitpunkt erlassen, als die Körperschaftsteuer-Änderungsbeschei...

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