Entscheidungsstichwort (Thema)

Einschränkung der durch Art. 18 Buchst. f des Ottawa-Abkommens gewährten Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Erwerbs eines Kraftfahrzeuges durch zweijährige Behaltefrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Art. 18 Buchst. f des Ottawa-Abkommens gilt in entsprechender Anwendung auch für die Einfuhrumsatzsteuer.

2. Aus dem in Art. 18 Buchst. f des Ottawa-Abkommens verwendeten Begriff „zum eigenen Gebrauch bestimmt” lässt sich keine inländische Behaltefrist von zwei Jahren ableiten.

 

Normenkette

NCPR Ottawa-Abkommen Art. 18 Buchst. f., Art. 12; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 5, §§ 1a, 1b Abs. 1, § 4b Nr. 3

 

Tenor

1. Der Umsatzsteuerbescheid über die Fahrzeugeinzelbesteuerung vom 30. Oktober 2019 und die Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2021 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch den Kläger steuerfrei ist.

Der Kläger ist britischer Staatsangehöriger. Er war von 18. Juli 2013 bis zum 31. Oktober 2017 in Deutschland für die hier ansässige NATO Eurofighter und Tornado Management Agency (NETMA) tätig. Die NETMA ist eine zum 1. Januar 1996 auf Beschluss der NATO-Mitglieder Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien aus einem Zusammenschluss zweier NATO-Agenturen entstandene selbständige, nichtmilitärische Stelle der NATO.

Anfang März 2017 kaufte der Kläger in Großbritannien ein Neufahrzeug der Marke A. Das Fahrzeug wurde am 17. März 2017 ausgeliefert und im Anschluss daran auf den damals in B (Deutschland) wohnenden Kläger zugelassen. Der Verkäufer behandelte die Lieferung in Großbritannien als umsatzsteuerfrei.

Am 10. April 2017 ging beim beklagten Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung für die Fahrzeugeinzelbesteuerung ein, in der der Kläger den Erwerb des Neufahrzeuges als steuerfreien innergemeinschaftlichen Erwerb erklärte. Der Umsatzsteuererklärung waren beigefügt die Rechnung vom 7. März 2017 über den Kauf des A für….. Pfund (nach Angabe des Klägers… EUR) und die ausgefüllte Anlage USt 1 B NETMA zur Umsatzsteuererklärung; vgl. RB-Akte, Bl. 13, 14). Darin bestätigte die NETMA u.a., dass der Kläger zur Besoldungsgruppe A3 der NATO-Personalbestimmungen zähle und dass sein Arbeitsvertrag am 31. Oktober 2017 enden werde. Zudem versicherte der Kläger, dass er innerhalb der letzten zwei Jahre kein Kraftfahrzeug umsatzsteuerfrei erworben habe, dass er jede nichtbegünstigte Verwendung vor Ablauf von zwei Jahren unverzüglich anzeigen werde und dass ihm die Beschränkungen nach Art. 18 Buchst. (e) i.V.m. Art. 18 Buchst. (f) des Übereinkommens vom 20. September 1951 über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des internationalen Personals (Ottawa-Abkommen, BGBl. II 1958, 118) bekannt seien.

Mit Bescheid vom 27. April 2017 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf Null EUR fest. Die Steuerbefreiung wurde unter der Voraussetzung gewährt, dass das Fahrzeug nicht innerhalb einer Behaltefrist von zwei Jahren zu nichtbegünstigten Zwecken wie z.B. Veräußerung, Nutzung durch fremde Dritte, Mitnahme ins Ausland infolge Versetzung oder vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses verwendet wird. Außerdem enthielt der Bescheid den Hinweis, dass eine nichtbegünstigte Verwendung unverzüglich mitzuteilen ist.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2019 (RB-Akte, Bl. 22) forderte das Finanzamt den Kläger auf, mitzuteilen, ob der A innerhalb der Behaltefrist von zwei Jahren für nicht begünstigte Zwecke verwendet worden sei.

Darauf gab der Kläger mit Schreiben vom 4. Juni 2019 an (vgl. RB-Akte, Bl. 26), dass der A im November 2017 in sein Heimatland (Niederlande) exportiert worden sei. Zudem habe er im März 2018 einen neuen Vertrag mit der NATO AWACS Airbase geschlossen und sei im Mai 2018 als Freelancer in C (Deutschland) tätig geworden. Mit email vom 22. Oktober 2019 teilte er noch ergänzend mit, dass das Fahrzeug im Februar 2019 in den Niederlanden verkauft worden sei (RB-Akte, Bl. 34).

Am 30. Oktober 2019 erließ das Finanzamt einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuerbescheid über die Fahrzeugeinzelbesteuerung und setzte … EUR Umsatzsteuer fest, weil die Behaltefrist von zwei Jahren nicht eingehalten worden sei.

Der hiergegen eingelegte Einspruch vom 18. November 2019 blieb ohne Erfolg. Er wurde mit Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2021 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2021 erhob der Kläger Klage. Diese begründet er zunächst im Wesentlichen damit, dass er nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der NETMA in sein Wohnsitzland, die Niederlande, zurückgekehrt sei und dort am 7. Novembe...

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