Entscheidungsstichwort (Thema)

Entwicklungskosten von Software können zum Zollwert gehören

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Art. 71 Abs. 1 Buchst. b UZK ist so auszulegen, dass er es erlaubt, bei der Ermittlung des Zollwerts einer eingeführten Ware ihrem Transaktionswert den wirtschaftlichen Wert einer Software hinzuzurechnen, die in der Union erarbeitet und dem in einem Drittstaat ansässigen Verkäufer unentgeltlich vom Käufer zur Verfügung gestellt wird.

2. Entscheidend für die Hinzurechnung der Entwicklungskosten ist das Aufbringen auf die Einfuhrware zur Steigerung der Funktionalität, und zwar selbst dann, wenn die Software auch zur Herstellung der Einfuhrware benötigt wird. Wird die Software hingegen lediglich zur Entwicklung der Einfuhrware benötigt und nicht auf die Einfuhrware aufgebracht, gehören die Entwicklungskosten nicht zum Zollwert, wenn sie innerhalb der Union erarbeitet worden ist.

 

Normenkette

UZK Art. 71 Abs. 1 Buchst. b

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Entwicklungskosten für eine Software zum Zollwert der eingeführten Waren gehören.

Die Klägerin führte Steuergeräte von verschiedenen Herstellern aus Drittländern ein und ließ die Waren zum freien Verkehr abfertigen. Im Rahmen einer Zollprüfung stellte das Hauptzollamt (HZA) fest, dass die Klägerin den drittländischen Lieferanten kostenlos Standard-Softwarekomponenten zur Verfügung gestellt hatte, die von diesen auf die eingeführten Steuergeräte aufgespielt worden waren. Die Software wird auf einem Portal der Klägerin bereitgestellt und von den drittländischen Herstellern mittels eines Downloads bezogen. Sie ist durch beauftragte Unternehmen in der EU oder von der Klägerin selbst entwickelt worden und steht in ihrem Eigentum; sie hatte für die Software keine Lizenzgebühren zu entrichten.

Die Software, die eine reibungslose Kommunikation der Systeme und Anwendungen in einem Kraftfahrzeug sicherstellen soll, ist notwendig, um verschiedene technische Vorgänge durchzuführen, die das Steuergerät im Fahrzeugeinsatz übernehmen soll. Die Lieferanten müssen nach den mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen vor der Auslieferung der Steuergeräte einen Funktionstest durchführen. Das danach zu erstellende Testprotokoll soll dokumentieren, dass die Zusammenarbeit von Steuergerät und Software reibungslos funktioniert. Ohne diesen Funktionstest beim Lieferanten könnte nicht festgestellt werden, ob gegebenenfalls auftretende Fehler schon bei der Auslieferung, erst beim Transport oder im Zuge der Implementierung der Software verursacht wurden. Die gesamte Verfahrensweise ist Gegenstand der Verträge mit den drittländischen Herstellern und garantiert nicht nur die Funktionsfähigkeit des eingeführten Geräts, sie ist vielmehr auch Teil der Qualitätssicherung und dient der Sicherung von Gewährleistungsansprüchen.

Die Entwicklungskosten für die Software sind in den Zollanmeldungen nicht zum Zollwert angemeldet worden.

Das HZA kam nach der Zollprüfung zu der Auffassung, dass die Kosten für die Entwicklung der Software dem Zollwert nach Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i) Unionszollkodex (UZK) hinzuzurechnen seien und setzte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 25. September 2018 für die im Januar 2018 in den freien Verkehr überführten Waren insgesamt … Euro fest. Hiergegen erhob die Klägerin eine Sprungklage, der das HZA am 23. Oktober 2018 zugestimmt hat (vgl. § 45 der Finanzgerichtsordnung).

Die Klägerin führt aus, dass sich das vorliegende Problem einfach lösen ließe, wenn das Zollverfahren der passiven Veredelung für Software zugänglich wäre. Es bestünde insofern eine Regelungslücke im Zollrecht für Beistellungen, die nicht die Eigenschaft einer Ware hätten.

Die geltenden Vorschriften des UZK stammten aus einer Zeit, zu der aufgespielte Software nicht oder nur sehr eingeschränkt vorgekommen sei. Sie schließe sich daher in erster Linie der von der Kommission noch im Vorabentscheidungsersuchen „Compaq” (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – vom 16. November 2006 C-306/04, Compaq Computer International Corporation, EU:C:2006:716, Slg 2006, I-10991, Rn. 24) im Ergebnis vertretenen Meinung an, dass Art. 71 Abs. 1 Buchst. b UZK nicht anwendbar und die darin vorgesehene Berichtigung nicht vorzunehmen sei.

Es werde auch nicht verkannt, dass sich die Rechtsansicht der Kommission nicht in dem genannten Urteil des EuGH niedergeschlagen habe. Gleichwohl habe dieser dort keine Entscheidung getroffen, unter welcher Ziffer des Art. 71 Abs. 1 Buchst. b UZK die Entwicklungskosten für beigestellte Software dem Zollwert hinzugerechnet werden könnten. Sollte die Software von Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv) UZK erfasst sein, käme eine Hinzurechnung nicht in Betracht, weil die Software nicht außerhalb der Union erarbeitet worden sei.

Die Klägerin beantragt, den Einfuhrabgabenbescheid des HZA vom 25. September 2018 aufzuheben.

Das HZA beantragt, die Klage abzuweisen.

Die...

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