Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anscheinsbeweis für Privatnutzung eines Betriebs-Pkw bei nachträglich vorgelegtem Fahrtenbuch

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Anscheinsbeweis für die private Nutzung eines Dienst-Pkw scheidet aus, wenn nachträglich ein Fahrtenbuch vorgelegt wird.

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 3 S. 2

 

Tenor

1. Die geänderten Körperschaft- und Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2002 vom 16.3.2004 sowie die diesbezügliche Einspruchsentscheidung vom 30.8.2004 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe der der Klägerin zu erstattenden Aufwendungen abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Frage, ob wegen der vermuteten Privatnutzung eines Betriebs-Pkw eine verdeckte Gewinnausschüttung anzusetzen ist.

Die Klägerin (Klin) ist eine GmbH, die sich mit der Vermittlung von Produktionskapazitäten und dem Handel von Industrieprodukten befasst. Gesellschafter waren bis zum 8.11.2001 Herr K (60 vH der Anteile) sowie seine Ehefrau M K (40 vH der Anteile), danach war Herr K Alleingesellschafter. Geschäftsführerin war in der Gründungsphase Frau K, später war Herr K alleiniger Geschäftsführer; seit dem 11.6.1999 ist Frau K ebenfalls Geschäftsführerin. Herr K erhielt lt. Anstellungsvertrag vom 10.4.1995 ein monatliches Bruttogehalt von 3.000 DM. Eine Regelung über die Nutzung von Betriebs-Pkw enthält der Vertrag nicht.

Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung durch das Finanzamt P, die bei der Klin durchgeführt wurde, beanstandete der Prüfer, dass für den Betriebs-Pkw … kein Fahrtenbuch geführt worden sei. Erst ab August 2002 sei ein solches Buch geführt worden. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) sah in der vermuteten Privatnutzung eine verdeckte Gewinnausschüttung. Das FA setzte hierfür Beträge von 4.557 DM (1998), 7.812 DM (1999 bis 2001) und 2.930 Euro (2002) an. Umsatzsteuerlich berücksichtigte das FA zusätzliche Umsätze von 3.928 DM (1998), 6.734 DM (1999 bis 2001) und 1.973 Euro (2002). Es erließ unter dem Datum des 16.3.2004 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2002. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 30.8.2004).

Zur Begründung der anschließend erhobenen Klage wird im Wesentlichen vorgetragen: Im Anstellungsvertrag sei dem Gesellschafter-Geschäftsführer die Privatnutzung des Pkw nicht erlaubt worden. Herr K habe über ein eigenes privates Fahrzeug verfügt. Er habe seit 1998 das Programm „Lexware Reisekosten” benutzt, um die Reisekostenabrechnungen und gleichzeitig das Fahrtenbuch zu erstellen. Aus den Aufzeichnungen, die wieder lesbar gemacht und ausgedruckt worden seien, sei zu ersehen, dass das Fahrzeug nicht privat genutzt worden sei.

Die Klin beantragt,

die geänderten Körperschaft- und Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2002 vom 16.3.2004 sowie die Einspruchsentscheidung 30.8.2004 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Am 2.6.2005 hat in der Streitsache ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf die Niederschrift wird verwiesen.

Die Klin hat die ursprünglich auch i.S. Gewerbesteuermessbetrag 1998 bis 2002 erhobene Klage zurückgenommen. Der Berichterstatter hat durch Beschluss vom 11.10.2005 insoweit das Verfahren abgetrennt und eingestellt.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist begründet. Das FA hat zu Unrecht im Hinblick auf eine vermutete Privatnutzung des Dienst-Pkw eine verdeckte Gewinnausschüttung sowie eine unentgeltliche Wertabgabe (Eigenverbrauch) angenommen.

1. Körperschaftsteuer

Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 11.12.1991 I R 49/90, BStBl II 1992, 434). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (vgl. § 43 des GmbH-Gesetzes) einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16.3.1967 I 261/63, BStBl III 1967, 626). Die Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung trägt nach ständiger Rechtsprechung des BFH das FA (vgl. z.B. Urteil vom 13...

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