Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreiheit einer vor dem 1.1.2005 abgeschlossenen Kapitalversicherung gegen „laufende” Beitragsleistungen. Verrechnung der Versicherungsleistungen mit dem Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beiträge zur Kapitallebensversicherung eines Versicherungsvertreters werden nicht „laufend” bezahlt, wenn die jährliche Beitragspflicht von einer Bedingung (hier: Erfolg beim Abschluss neuer Versicherungen) abhängt, deren Eintritt im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags unsicher ist. Mangels laufender Beitragszahlung handelt es sich nicht um eine nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerfreie Versicherung i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG.

2. Aufgrund des Verböserungsverbots im finanzgerichtlichen Verfahren konnte im Streitfall offenbleiben, ob die versteuerten Versicherungszahlungen wegen der Verrechnung mit dem (höheren) steuerpflichtigen Ausgleichsanspruch des Klägers als Handelsvertreter als nachträgliche Einkünfte (§ 24 EStG) zu den gewerblichen Einkünften gehören.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 20 Abs. 1 Nr. 6, § 22 Nr. 5 S. 2 Buchst. b, § 52 Abs. 36 S. 5, §§ 15, 24; HGB § 89b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.09.2018; Aktenzeichen X R 21/16)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war als hauptberuflicher Ausschließlichkeitsvertreter (Generalagent = GA) für die … Versicherungs-AG tätig. Die Tätigkeit endete altersbedingt im Streitjahr. Die zum Versicherungskonzern gehörende X-Lebensversicherung zahlte an den Kläger drei Kapitallebensversicherungen mit einem Gesamtwert in Höhe von …. EUR aus.

Den Versicherungen lagen die „Richtlinien für die Versorgung der hauptberuflichen Ausschließlichkeitsvertreter der Versicherungs-AG (GA-Versorgung) zugrunde, auf deren vollen Inhalt verwiesen wird. Stufe 1 der GA-Versorgung regelte eine Kapitalversicherung bis zum fünften Beschäftigungsjahr eines Generalagenten.

Im Anschluss an die Stufe 1 sah die GA-Versorgung als Stufe 2 Kapitalversicherungen auf den Todes- und Erlebensfall bei der X-Lebensversicherung vor, und zwar einmal als – Grundversicherung gegen gleichbleibenden Beitrag (Versicherungssumme … DM) – und zum anderen als Aufbauversicherung gegen „laufenden Einmalbeitrag” in variabler Höhe.

Bei der Aufbauversicherung richtete sich der jährliche Beitrag nach der Höhe des durchschnittlichen jährlichen Bestandszuwachses in den jeweils vorangegangenen fünf Kalender- jahren (= anrechenbarer Bestandszuwachs). Der Wert dieses anrechenbaren Bestandszuwachses war aus den Beiträgen sämtlicher von der Versicherungs-AG beim Inkrafttreten der GA-Versorgung betriebenen Versicherungssparten mit Ausnahme der Lebens- und Krankenversicherungen zu berechnen. Abgesehen von Tariferhöhungen in der Kraftfahrzeugversicherung waren auch automatische Beitragsanpassungen bis maximal 10 % zu berücksichtigen). Die Versicherungssumme der Aufbauversicherung sollte sich jährlich in Abhängigkeit vom aufgewendeten Beitrag erhöhen.

Sämtliche Beiträge in die Direktversicherung der Stufe 2 hatte die Versicherungs-AG zu tragen. Die Stufe 3 sah auf Antrag eines Generalagenten eine weitere Aufbauversicherung entsprechend der Stufe 2 vor. Allerdings hatte bei der Stufe 3 der Generalagent die Hälfte der Versicherungsbeiträge aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Die Versicherungen der Stufe 2 und 3 wurden auf das 65. Lebensjahr des versicherten Generalagenten abgeschlossen. Ziffer VI der GA-Versorgung sah vor, dass in Höhe des Kapitalwerts der von der Versicherungs-AG finanzierten Direktversicherungen aus Gründen der Billigkeit ein Ausgleichsanspruch des Generalagenten gemäß § 89b Handelsgesetzbuch –HGB– nicht entsteht.

Die Versicherungs-AG schloss mit der X-Lebensversicherung einen Gruppenversicherungsvertrag zur Abwicklung der GA-Versorgung. Die Versicherungsbescheinigungen der X-Lebensversicherung geben in den Vertragsbedingungen die wesentlichen Bestimmungen des Gruppenvertrags wieder, auf die verwiesen wird. Der Kläger vereinbarte am … 1982 Direktversicherungen der Stufe 2 (Grundversicherung und Aufbauversicherung) und am … 1987 die Aufbauversicherung der Stufe 3. Die Direktversicherung der Stufe 2 wies im ersten Versicherungsschein der X-Lebensversicherung eine Versicherungssumme in Höhe von 3.800 DM aus, die sich durch Beitragsleistungen bis 2011 auf 47.000 EUR erhöhte. Die Direktversicherung der Stufe 3 begann mit einer Versicherungssumme von 4.600 DM, die sich bis 2011 auf 37.000 EUR erhöhte. Bei jeder Beitragszahlung erstellte die X-Lebensversicherung unter der jeweiligen, d.h. unveränderten, Versicherungsnummer einen Nachtrag zur Versicherungsbescheinigung mit einer erhöhten Versicherungssumme und einer erhöhten Invalidenrente. Die Versicherungs-AG wies ihre Generalvertreter regelmäßig darauf hin, dass sie die von ihr gezahlten Versicherungsbeiträge versteuern müssen. Bis zum Streitjahr kam es in sieben Jahren zu kei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge