Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachholung einer bislang unterlassenen Tariffeststellung. unzutreffende Bezeichnung eines Änderungsbescheids. Einkünftefeststellung als Grundlagenbescheid für die Tariffeststellung nach § 32c EStG. Heilung eines Bekanntgabemangels durch Zustellung der Einspruchsentscheidung nach Ablauf der Feststellungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat das Feststellungs – FA im ursprünglichen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Feststellungsbescheid die Einkünfte (unrichtigerweise) als nach § 32c EStG tarifbegünstigt eingestuft und in einem bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid nach einer Außenprüfung die Einkünfte betragsmäßig erhöht, den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben, aber keinerlei Aussagen zu § 32c EStG gemacht, und hat das Veranlagungs – FA für die Gesellschafter die Tarifbegünstigung weiter in Höhe der im ursprünglichen Bescheid festgestellten Einkünfte gewährt, so ist das Feststellungs-FA später nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 berechtigt, die Tariffeststellung zu § 32c EStG nachzuholen und die Tarifermäßigung auf 0 DM festzustellen.

2. Die unrichtige Bezeichnung dieses erneuten Änderungsbescheids als „Ergänzungsbescheid” sowie die fehlende Angabe der Korrekturvorschrift sind unschädlich.

3. Erzielt eine Mitunternehmerschaft gewerbliche Einkünfte, ist die Feststellung der gewerblichen Einkünfte gegenüber der Feststellung der Tarifbegünstigung nach § 32c EStG bindend i. S. der §§ 175 Abs. 1 Nr. 1, 182 Abs. 1 AO 1977.

4. Wird ein geänderter Feststellungsbescheid innerhalb der Feststellungsfrist nur einem der Gesellschafter wirkam bekanntgegeben, so kann dieser Bekanntgabemangel durch die nach Ablauf der Feststellungsfrist erfolgte Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an den ehemaligen Steuerberater der Gesellschaft sowie aller Gesellschafter geheilt werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 182 Abs. 1, § 179 Abs. 3; EStG § 32c; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, §§ 183, 126 Abs. 2, § 181

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.12.2005; Aktenzeichen VIII R 99/02)

BFH (Urteil vom 06.12.2005; Aktenzeichen VIII R 99/02)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob zu Recht ein Ergänzungsbescheid ergangen ist.

Die Klägerin (Klin) ist eine Kommanditgesellschaft, die gewerbliche Einkünfte aus der Vermietung eigenen Grundbesitzes erzielt. Beteiligt an der Klin waren im Streitjahr 1994 die Beigeladenen A. (zu 50 %, im Folgenden: A), E. (zu 20 %, im Folgenden: E), G. (zu 20 %, im Folgenden: G) und S. (zu 10 %, im Folgenden: S) als Kommanditisten sowie die M. GmbH (im Folgenden: M.-GmbH) als Komplementärin.

Für das Streitjahr wurde die Klin zunächst erklärungsgemäß veranlagt (erklärter Gewinn: 6.159.975 DM). Der entsprechende Feststellungsbescheid 1994 vom 21.3.1996 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In diesem Bescheid sind die gewerblichen Einkünfte der Gesellschafter als Einkünfte ausgewiesen, die der Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG unterliegen, obwohl die Voraussetzungen für diese Vergünstigung unstreitig nicht vorlagen.

Als Empfangsbevollmächtigte waren in der Feststellungserklärung 1994 die Gesellschafter A und E unter der Adresse des Sitzes der Klin in der S. Str. … in … G. angegeben.

Aufgrund einer Außenprüfung (Prüfungsbericht vom 9.9.1996, Prüfungszeitraum: 1992 – 1994) erging am 14.10.1996 ein zusammengefasster Änderungsbescheid für die Jahre 1992 – 1994, der den Gesamtgewinn des Jahres 1994 auf 6.347.127 DM festsetzte. In diesem Bescheid, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, ist u. a. ausgeführt, dass er den Feststellungsbescheid 1994 vom 21.3.1996 ändere. Einen Vermerk, wonach die Gewinnanteile der Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG unterliegen, enthält dieser Bescheid nicht mehr. Auch dem Bp – Bericht, auf den im Feststellungsbescheid vom 14.10.1996 verwiesen wird, lässt sich ebenfalls kein entsprechender Hinweis entnehmen.

Der Feststellungsbescheid vom 14.10.1996 wurde bestandskräftig. Obwohl die Mitteilungen des Beklagten an die Veranlagungsfinanzämter ebenfalls keinen entsprechenden Hinweis enthielten, berücksichtigten diese die ursprüngliche Tarifbegünstigung aus dem geänderten Feststellungsbescheid.

Mit Schreiben vom 9.3.2000 teilte der Außenprüfer dem Beklagten (Finanzamt – FA –) mit, dass bei den Einkommensteuerveranlagungen der Gesellschafter fälschlicherweise die volle Vergünstigung nach § 32 c EStG berücksichtigt worden sei. Dies sei nicht zutreffend, weil die Gewinne der Klin wegen der erweiterten Kürzung für Grundstücksunternehmen nicht der Gewerbesteuer unterlägen und damit auch nicht den gewerblichen Einkünften i. S. des § 32 c Abs. 2 EStG zuzurechnen seien. Der daraus erwachsene ungerechtfertigte Steuervorteil betrage ca. 265.000 DM. Eine Änderung der Einkommensteuerveranlagungen sei jedoch nur noch über das Feststellungsverfahren möglich. Er schlug deshalb die Erteilung eines Ergänzungsbescheids gem. § 179 Abs. 3 AO vor, in dem...

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