Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein verfassungsrechtlicher Anspruch getrennt lebender Ehegatten auf den Splittingtarif

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es stellt keinen Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG dar, wenn der Gesetzgeber die Anwendung des Splittingtarifs auf solche Ehegatten beschränkt, die nicht dauernd getrennt leben, sondern eine eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bilden. Die Besteuerung zusammenlebender Ehegatten nach dem Splittingverfahren entspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ebenso wie den Grundwerten des Familienrechts.

2. Dauernd getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten haben daher von Verfassungs wegen auch dann keinen Anspruch auf den Splittingtarif, wenn mehrere Kinder vorhanden sind und die finanziellen Belastungen höher sind als bei einer intakten Ehe.

 

Normenkette

EStG § 26 Abs. 1 S. 1, §§ 26b, 32a Abs. 1, 5, § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 33a; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 26.02.2004; Aktenzeichen 2 BvR 1933/02)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger aus verfassungsrechtlichen Gründen der Splittingtarif zu gewähren ist, obwohl er im Streitjahr von seiner Ehefrau, mit der er vier Kinder hat, getrennt lebte.

Der Kläger wird beim beklagten Finanzamt München IV (FA) zur Einkommensteuer veranlagt.

I.

Der Kläger lebte im Streitjahr von seiner Ehefrau dauernd getrennt. Aus der Ehe sind vier Kinder hervorgegangen. Ferner gab es ein Pflegekind.

Mit der vom FA unter Zugrundelegung der Einkommensteuer-Grundtabelle durchgeführten Einzelveranlagung (Bescheid vom 30. Juni 1998) war der Kläger nicht einverstanden. Im Einspruchsverfahren begehrte er die Anwendung der Splittingtabelle. Das FA lehnte dies ab. Auf die Einspruchsentscheidung (EE) vom 1. März 1999 sowie ergänzend auf die Einkommensteuererklärung des Klägers für 1996, insbesondere das als Anlage zu dieser Erklärung beigefügte Schreiben seiner (mittlerweile) geschiedenen Ehefrau vom 27. April 1997, sowie das Schreiben des Klägers an das FA vom 6. Januar 1998 wird Bezug genommen.

Mit der Klage vom 30. März 1999 verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, die Versagung einer (analogen) Anwendung der Splittingtabelle durch das FA trotz der de facto weiter bestehenden Familienbande und noch höherer finanzieller Belastung als bei intakter Ehe, sei verfassungswidrig. Dies widerspreche dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Im Einkommensteuerbescheid des Klägers werde hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit davon ausgegangen, dass der Kläger alleinstehend sei und ein Kind in seinem Haushalt lebe. Tatsächlich sei er jedoch gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau und seinen drei minderjährigen Kindern, die bei der Mutter lebten, unterhaltspflichtig. Wenn man von dem Grundgedanken der objektiven Leistungsfähigkeit für die Besteuerung ausgehe, bleibe unberücksichtigt, dass der Kläger de facto Alleinversorger für eine siebenköpfige Familie sei. Nach den wirtschaftlichen Verhältnissen sei der Kläger nicht in der Lage, der Unterhaltspflicht gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau nachzukommen, da nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen das verbleibende Nettoeinkommen soweit reduziert sei, dass der gesetzliche Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf Unterhalt nicht mehr durchdringen könne, weil die zur Verfügung stehenden Geldmittel nicht mehr ausreichten. Die gesetzliche Möglichkeit, den an die geschiedene Ehefrau geleisteten Unterhalt als Sonderausgaben bei der Einkommensteuer geltend zu machen, sei dem Kläger praktisch im Vorgriff bereits dadurch genommen worden, dass dieser mit so hohen Steuern belastet worden sei, dass für Unterhalt kein Raum mehr geblieben sei. Aus dem gleichen Grunde könne der Kläger seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem volljährigen, jedoch noch in der Schulausbildung stehenden Kind, das in seinem Haushalt lebe, nicht nachkommen. Nach Abzug von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Unterhalt für die minderjährigen Geschwister seien keine ausreichenden Geldmittel mehr vorhanden. Auch die Unterhaltsansprüche der nicht im Haushalt des Klägers lebenden minderjährigen Söhne könnten mangels finanzieller Möglichkeiten nur noch teilweise befriedigt werden.

Verletzt sei des Weiteren der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Trotz gleicher – wegen doppelter Haushaltsführung sogar noch verminderter – Leistungsfähigkeit treffe den Kläger nach der Trennung/Scheidung eine höhere steuerliche Belastung als vorher. Zwar müssten Ledige steuerlich anders behandelt werden als Verheiratete, aber wegen der Fortwirkung der Rechtsbeziehungen, die durch die Ehe mit Kindern entstanden seien, müssten unterhaltspflichtige Geschiedene steuerlich anders behandelt werden als kinderlose Ledige, die nicht durch die Rechtsfolgen einer Ehe mit Kindern betrof...

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