Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. Kürzung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes um geschuldete Versorgungsleistungen bei der Ermittlung des Jahresentgelts

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Einkünfte des Kindes aus im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhaltenem Vermögen um Versorgungsleistungen zu mindern sind, die das Kind an den Vermögensübergeber als vorbehaltene Vermögenserträge zu leisten hat.

 

Normenkette

EStG 1997 § 32 Abs. 4 S. 2, § 10 Abs. 1 Nr. 1a; EStG 2002 § 32 Abs. 4 S. 2, § 10 Abs. 1 Nr. 1a; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.11.2012; Aktenzeichen V R 57/10)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 30. November 2005 sowie der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2007 wird die Familienkasse verpflichtet, dem Kläger Kindergeld für A für das Jahr 2001 von monatlich 138,05 EUR sowie für die Jahre 2003 und 2004 von monatlich 154 EUR zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Vater des Kindes A, geb. am 3. Dezember 1979. A war im streitigen Zeitraum an der Universität H im Studiengang Kulturwissenschaft/Ästhetische Praxis immatrikuliert. A war in den Streitjahren an der B Grundbesitz GbR beteiligt (vgl. Notarvertrag vom 24. Oktober 1994), die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte. Voraussetzung für die Erzielung dieser Einkünfte war die Zahlung monatlicher Unterhaltsbeiträge als dauernde Last an die Mutter des Klägers (Versorgungsleistungen) im Gegenzug für die Übertragung von Grundbesitz von der Mutter an die B Grundbesitz GbR, die einkommensteuerrechtlich wegen der unentgeltlichen Vermögensübergabe Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des EinkommensteuergesetzesEStG – darstellen.

Der Kläger beantragte im November 2005 bei der Beklagten (der Familienkasse), ihm Kindergeld für A zu gewähren und berief sich dabei auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 11. Januar 2005 (2 BvR 167/02, amtliche Sammlung von Entscheidungen des BVerfG – BVerfGE – 112, 164). Unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des Beschlusses des BVerfG (in BVerfGE 112, 164) seien die durch das Kind A tatsächlich geleisteten Versorgungsleistungen bei der Ermittlung der eigenen Einkünfte des Kindes abzuziehen, auch wenn die Aufwendungen einkommensteuerrechtlich keine Werbungskosten seien.

Die Einkünfte von A abzüglich der Versorgungsleistungen lagen in den Streitjahren bei Berücksichtigung der Versorgungsleistungen als Abzugsposten unter der jeweils geltenden Jahresentgeltgrenze und stellten sich in den Jahren 2001, 2003 und 2004 wie folgt dar:

2001

2003

2004

Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit

0 DM

5.036 EUR

4.659 EUR

+ Anteil an den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

19.817 DM

11.635 EUR

10.422 EUR

- Versorgungsleistungen

- 18.000 DM

- 9.204 EUR

- 7.669 EUR

- Kranken- und Pflegeversicherung

- besondere Ausbildungskosten

- 2. 867 DM

- 2.639 EUR

- 1.227 EUR

- 2.647 EUR

- 2.345 EUR

Einkünfte nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG

0 DM ohne

ohne Versorgungsleistungen: 16.950 DM

3.601 EUR ohne

ohne Versorgungsleistungen: 12.805 EUR

2.420 EUR ohne

ohne Versorgungsleistungen: 9.289 EUR

Die Familienkasse lehnte mit Bescheid vom 30. November 2005 die Gewährung von Kindergeld für A für die Kalenderjahre 2001, 2003 und 2004 ab, weil das Einkommen des Kindes A die in den Kalenderjahren 2001, 2003 und 2004 maßgeblichen Jahresentgeltgrenzen überschritten habe. Sie berücksichtigte bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG die Versorgungsleistungen nicht.

Der dagegen vom Kläger eingelegte Einspruch blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 17. September 2007).

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das Zahlenwerk sei zwischen ihm und der Familienkasse nicht streitig. Lediglich hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Versorgungsleistungen bei der Ermittlung des jeweiligen Grenzbetrags bestehe Uneinigkeit. Das BVerfG (in BVerfGE 112, 164) habe klargestellt, dass § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungskonform so auszulegen sei, dass nicht nur Bezüge, sondern auch Einkünfte eines Kindes nur dann in den Jahresgrenzbetrag der genannten Vorschriften einflössen, wenn sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien. Zwar gehe es im entschiedenen Fall um Sozialversicherungsbeiträge, jedoch habe das BVerfG allgemein ausgeführt, dass jedenfalls diejenigen Beträge, die dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar seien und deshalb keine Entlastung bei den Eltern bewirken könnten, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung des Unterhalts des Kindes zu dienen besti...

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