rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzgänger. Zahlungen des österreichischen Arbeitgebers an die betriebliche Vorsorgekasse sind steuerpflichtiger Arbeitslohn. keine Steuerbefreiung. kein Verstoß gegen Unionsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Bestimmung des Begriffs der unselbstständigen Arbeit im Sinne des DBA Österreich ist auf das nationale Recht abzustellen.

2. Zahlungen des österreichischen Arbeitgebers eines in Deutschland ansässigen Arbeitnehmers (Grenzgänger) nach § 6 Abs. 1 S. 1 des österreichischen Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes an die betriebliche Vorsorgekasse in Höhe von 1,53 v.H. des Bruttolohns sind in Deutschland als Arbeitslohn steuerpflichtig.

3. Der Arbeitslohn ist nicht steuerfrei; auch für eine analoge Anwendung von § 3 Nrn. 56, 63 oder 62 EStG fehlt es an vergleichbaren Sachverhalten.

4. Die Versagung der Steuerfreiheit verstößt nicht gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit oder die allgemeine Freizügigkeit.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Nrn. 56, 62-63; DBA AUT Art. 3 Abs. 2, Art. 15 Abs. 6; AEUV Art. 45, 21 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte, das Finanzamt aa, zu Recht die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit um 1,53 v.H. erhöht hat.

Die Kläger wohnen in 84xxx bb. Sie waren im Streitjahr 2013 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und wurden vom Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Der Kläger arbeitete als Grenzgänger in cc in Österreich. Ihm wurde – zwischen den Beteiligten unstreitig – in Österreich ein Bruttoarbeitslohn von 33.740 EUR bescheinigt.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung veranlagte der Beklagte die Kläger weitgehend erklärungsgemäß. Er erhöhte jedoch die Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit um die im bescheinigten Bruttoarbeitslohn nicht enthaltenen Zahlungen des österreichischen Arbeitgebers nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des österreichischen Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes (BMSVG, www.ris.bka.gv.at) an die betriebliche Vorsorgekasse (BV-Kasse) in Höhe von 1,53 v.H. des Bruttolohns, d.h. um (0,0153 × 33.740 EUR =) 516 EUR und setzte mit Einkommensteuerbescheid vom 5. Januar 2015 die Einkommensteuer in Höhe von 6.017 EUR fest.

Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg (vgl. Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2016).

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger tragen vor, die Beiträge an die BV-Kasse seien entsprechend § 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz (EStG) als steuerfrei zu behandeln. Obwohl die gesetzliche Regelung in Österreich bereits seit 2003 bestehe, vertrete der Beklagte erst jetzt die Auffassung, dass die Einzahlungen des Arbeitgebers in die BV-Kasse Arbeitslohn darstellten. Dies sei schon deswegen nicht richtig, weil der Arbeitnehmer gemäß §§ 14 und 17 BMSVG nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Auszahlung habe. Es handele sich somit nicht um Einnahmen im Sinne von § 11 EStG. Der Arbeitnehmer habe keine eigene Verfügungsgewalt. Kündige er das Arbeitsverhältnis, bestehe überhaupt kein Auszahlungsanspruch. Ein Anspruch auf Auszahlung bestehe nur bei beiderseitigem Einverständnis oder bei Kündigung durch den Arbeitgeber oder dann, wenn mindestens 5 Jahre keine Einzahlung in die BV-Kasse erfolgt sei. Da auch Selbständige in die BV-Kasse einzahlen müssten und diese Beiträge nur zur Pensionierung ausbezahlt würden und zusätzlich geregelt sei, wie die Hinterbliebenenversorgung beim Tod eines Arbeitnehmers bzw. eines Selbständigen aussehe, lasse sich die analoge Anwendung des § 3 Nr. 63 EStG begründen. Dafür spreche auch § 2 Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV), wonach Ausgaben, die nur dazu dienten, dem Arbeitgeber die Mittel zur Leistung einer dem Arbeitnehmer zugesagten Versorgung zu verschaffen, nicht zum Arbeitslohn gehörten. Rein hilfsweise sei zu klären, ob die Regelungen der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich (KonsVerAUTV) vom 20. Oktober 2010, BGBl I 2010, 2185, gelten würden. Daraus ergebe sich, dass der Staat, der während des Bezugs der aktiven Tätigkeit besteuerungsberechtigt gewesen sei, eine Besteuerung der Abfindungszahlung vorzunehmen habe. In diesem Falle würde das Besteuerungsrecht Deutschlands aber erst bei Zufluss entstehen. Zudem sei die Besteuerung zum jetzigen Zeitpunkt mit der europäischen Freizügigkeit nicht vereinbar. Andere europäische Versorgungssysteme würden nicht vorgezogen besteuert.

Die Kläger beantragen, in Änderung der angefochtenen Entscheidungen die Einkommensteuer 2013 in Höhe von 5.867 EUR festzusetzen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Einkünfte von Grenzgängern seien nach deutschem Recht zu ermitteln. Nachdem der Arbeitnehmer sowohl rechtlicher als auch wirtschaftlicher Eigentümer der Einzahlungen werde und...

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