Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Bindungswirkung einer unzutreffenden Auskunft außersteuerlicher Verwaltungsbehörden im Besteuerungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Die unzutreffende Auskunft einer nicht mit der Steuerfestsetzung befassten Behörde, die deutsche Staatsangehörigkeit gehe durch die Heirat mit einem italienischen Staatsangehörigen automatisch verloren, bewirkt keine Bindung der Finanzbehörden nach Treu und Glauben und führt im Verfahren wegen abweichender Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null.

 

Normenkette

AO § 163 S. 1; EStG § 1 Abs. 1; DBA USA Art. 19 Abs. 1 Buchst. A

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.08.2011; Aktenzeichen I R 87/10)

BFH (Urteil vom 24.08.2011; Aktenzeichen I R 87/10)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin war in den Streitjahren in der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in M. beschäftigt. Sie wird mit dem Kläger zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

Streitig ist, ob die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit der deutschen Einkommensteuer zu unterwerfen sind. Die Klägerin, von Geburt an deutsche Staatsangehörige, erwarb 1991 anlässlich ihrer Eheschließung auf Antrag die italienische Staatsangehörigkeit. Sie ging davon aus, dass sie hierdurch die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat. Unter Berufung auf das deutsch-amerikanische Doppelbesteuerungsabkommen erklärte sie in den jeweiligen Einkommensteuererklärungen ihre Einkünfte nicht als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, sondern gab diese nur zum Zweck der Einbeziehung im Rahmen des Progressionsvorbehalts an. Das beklagte Finanzamt (vormals Finanzamt M.) unterwarf den Arbeitslohn der Klägerin in den Streitjahren jedoch als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in vollem Umfang der Besteuerung. Die Einkommensteuer 1998 wurde mit Bescheid vom 08. März 2000, die Einkommensteuer 1999 mit Bescheid vom 14. August 2001, die Einkommensteuer 2000 mit Bescheid vom 25. April 2002 und die Einkommensteuer 2001 mit Bescheid vom 20. Juni 2003 entsprechend festgesetzt.

Mit hiergegen gerichteten Einsprüchen trugen die Kläger jeweils vor, sie hätten vom Kreisverwaltungsreferat M. stets die Auskunft erhalten, dass die Klägerin mit dem Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch verloren habe. Entsprechendes sei auch in den Merkblättern des Bundesverwaltungsamts ausgeführt und auch vom Bayerischen Innenministerium noch im Januar 2000 vertreten worden. Diese Rechtsauffassung sei erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 1998 1 C 20/96, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 1999, 963 revidiert worden. Nachdem die Klägerin am 10. Mai 2001 von dieser geänderten Rechtsauffassung Kenntnis erlangt habe, habe sie eine ausdrückliche Verzichtserklärung abgegeben. Die deutsche Staatsangehörigkeit habe sie durch Aushändigung der Verzichtsurkunde am 13. November 2001 verloren.

Das Finanzamt wies die Einsprüche in der Einspruchsentscheidung vom 20. März 2006 als unbegründet zurück. Hiergegen wandten sich die Kläger mit ihrer beim Finanzgericht München unter dem Az. 5 K 3734/08 (vormaliges Az. 5 K 1511/06) geführten Klage und dem damit verbundenen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) in Sachen Einkommensteuer 1998 bis 2001, Az. 5 V 2157/06.

Nach Ablehnung des AdV-Antrags beantragten sie beim beklagten Finanzamt die abweichende Festsetzung der Einkommensteuer für die Streitjahre aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO). Das Finanzamt lehnte den Antrag mit Verwaltungsakt vom 07. November 2006 ab und wies den hiergegen erhobenen Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 08. September 2008 als unbegründet zurück.

Mit der Klage verfolgen die Kläger ihren Antrag auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer für die Streitjahre weiter und berufen sich auf den Schutz ihres durch die Auskünfte mehrerer Behörden erzeugten Vertrauens in die Steuerfreiheit des Arbeitslohns. Nach Treu und Glauben müsse das Finanzamt bei der Ausübung seines Ermessens sachgerecht vorgehen. Hinzuweisen sei auch noch auf das weitere Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2008 5 C 28/07, NJW 2008, 2729. Zu berücksichtigen seien auch persönliche Gründe, da die Kläger nicht mit einer Steuerzahlung im festgesetzten Umfang hätten rechnen müssen.

Für das Verfahren unter dem Az. 5 K 3734/08 wurde mit Senatsbeschluss vom 13. Januar 2009 (erneut) das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Beklagten unter Aufhebung des Verwaltungsakt vom 07. November 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 08. September 2008 zu verpflichten, im Wege der Billigkeit die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in den Veranlagungszeiträumen 1998, 1999, 2000 und 2001 lediglich hinsichtlich des Progressionsvorbehalts in die Berechnung der Einkommensteuer einzubeziehen sowie diese nicht dem Solidaritätszuschlag zu unterwerfen und d...

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