Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerung von Kapitaleinkünften bei Doppelwohnsitz. Einkommensteuer 1986 bis 1991 (2. Rechtsgang)

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einem Steuerpflichtigen, der sowohl in Deutschland als auch in Österreich einen Wohnsitz hat, steht das Besteuerungsrecht für Kapitaleinkünfte dem Staat zu, in dem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet. Dieser befindet sich an dem Ort, zu dem der Steuerpflichtige die stärkeren persönlichen Beziehungen hat, wenn zum Ort der Arbeitsstelle keine Beziehungen bestehen, die über die berufliche Tätigkeit hinausgehen.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 1 S. 1; AO § 8; DBA AUT Art. 16

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 19.11.2003; Aktenzeichen I B 96/03)

 

Tenor

1. In Änderung der Einkommensteuerbescheide 1986 bis 1991, jeweils vom 27. März 2002, wird die Einkommensteuer 1986 auf … EUR, die Einkommensteuer 1987 auf … EUR, die Einkommensteuer 1988 auf … EUR, die Einkommensteuer 1989 auf … EUR, die Einkommensteuer 1990 auf … EUR und die Einkommensteuer 1991 auf … EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens bis zum 23. Mai 1996 (1. Rechtsgang) und des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte; die anschließend angefallenen Kosten bis zum 26. März 2002 tragen der Beklagte zu 3/10 und der Kläger zu 7/10, die Kosten des Verfahrens ab 27. März 2002 tragen der Beklagte zu 1/10 und der Kläger zu 9/10.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der ledige Kläger erzielte in den Streitjahren 1986 bis 1991 als technischer Angestellter bei der Firma … nichtselbständige Einkünfte sowie aus diversen Sparguthaben und …-Aktien Einkünfte aus Kapitalvermögen. Seit dem 1. November 1974 lebt er zusammen mit seiner Lebensgefährtin, Frau X, in einem gemeinsamen Haushalt in Y/Österreich. Die gemeinsame Tochter B (geb. am 16. April 1978) ist u. a. in den Streitjahren im Haushalt in Y aufgewachsen. Daneben nutzte der Kläger in den Streitjahren unter der Woche einen nach seinen Angaben 7 qm großen Raum in der …-Straße in M (Deutschland) als Schlafstelle.

Zwischen den Beteiligten war zunächst streitig, ob dem Kläger in den Streitjahren Aufwendungen für die Übernachtung am Arbeitsort in M und Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit sowie ein Kinderfreibetrag für die Tochter B und der Haushaltsfreibetrag zustehen. Die hiergegen nach erfolglosen Einsprüchen beim Finanzgericht (FG) München unter Az. 9 K 1638/95 (wegen Einkommensteuer 1990) bzw. 9 K 1756/95 (wegen Einkommensteuer 1986 bis 1989 und 1991) erhobenen Klagen wurden jeweils mit Urteilen vom 23. Mai 1996 abgewiesen. Auf die nach erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerden eingelegten Revisionen hob der Bundesfinanzhof (BFH) die erstinstanzlichen Urteile auf und verwies die Streitsachen an das FG München zurück.

Im zweiten Rechtsgang erließ der Beklagte (= das Finanzamt – FA –) jeweils unter dem Datum vom 27. März 2002 geänderte Einkommensteuer(ESt)-Bescheide für 1986 bis 1991, in denen Aufwendungen für Übernachtung und Verpflegung als Werbungskosten sowie ein erhöhter Freibetrag nach § 33 a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) für die Tochter B angesetzt wurden.

Der Kläger wendet sich weiterhin dagegen, dass er in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird. Zur Begründung trägt er vor: Sein einziger Wohnsitz befinde sich in dem Reihenhaus in Y/Österreich, das er mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter seit vielen Jahre bewohne. Diese Wohnung stelle auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen dar. Demgegenüber habe er den 7 qm großen Raum mit Gemeinschaftstoilette in der …-Straße in M an höchstens vier Tagen wöchentlich nur als Schlafstelle genutzt. Der Raum sei lediglich mit einem Bett, Tisch, Stuhl und Schrank ohne Kochgelegenheit eingerichtet gewesen. Ein Mietvertrag habe für diese Räumlichkeit nicht bestanden. Er habe für die Nutzung der Schlafstelle monatliche Vorauszahlungen geleistet. Hierdurch könne ein inländischer Wohnsitz nicht begründet worden sein. Nach Abriss des Gebäudes in der …-Straße im April 2000 pendele er arbeitstäglich zwischen Y und seiner Arbeitsstätte in M.

Der Kläger beantragt, sämtliche gegen ihn ergangenen ESt-Bescheide für die Jahre 1986 bis 1991 aufzuheben.

Das FA beantragt Klageabweisung.

Es ist der Auffassung, dass der Kläger im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sei und das Besteuerungsrecht für seine inländischen Einkünfte unbeschadet seines weiteren Wohnsitzes in Österreich und seiner dortigen Ansässigkeit nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Österreich vom 4. Oktober 1954 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 8. Juli 1992 der Bundesrepublik Deutschland zustehe. Ein Besteuerungsrecht entfalle nur insoweit, als der Kläge...

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