Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbständige Anfechtbarkeit einer Zinsfestsetzung, offenbare Unrichtigkeit einer Zinsfestsetzung, Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Bei einem Bescheid über Zinsfestsetzungen handelt es sich um einen eigenständigen, nur äußerlich mit der Steuerfestsetzung verbundenen Bescheid, der selbständig in Bestandskraft erwächst, wenn gegen diesen nicht rechtzeitig Einspruch gemäß § 355 Abs. 1 AO eingelegt wird.

2) Eine Zinsfestsetzung ist nicht offenbar unrichtig i.S.d. § 129 AO, wenn das FA – vor Inkrafttreten des § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG i.d.F. des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 26.06.2013 – die Einkommensteuerfestsetzung u.a. aufgrund der Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen wegen Wegfalls der Investitionsabsicht ändert, ohne den abweichenden Zinslauf nach § 233a Abs. 2a AO zu berücksichtigen. Vielmehr beruht die Zinsfestsetzung in diesem Fall auf einer abweichenden Rechtsauffassung des FA über die Anwendung des § 233a Abs. 2a AO.

 

Normenkette

AO §§ 129, 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 233a Abs. 2a; EStG § 7g Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.12.2022; Aktenzeichen VIII R 16/19)

BFH (Aktenzeichen BFH VIII R 16/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Ablehnung eines Antrags der Kläger auf Änderung der Zinsfestsetzung zur Einkommensteuer 2007 und 2008.

Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren 2007 und 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

Mit Datum vom 06.05.2013 erließ der Beklagte nach einer Außenprüfung gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte und die Vorbehalte der Nachprüfung aufhebende Einkommensteuerbescheide für 2007 und 2008 über „Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer”. Neben der geänderten Festsetzung der Einkommensteuer, die u.a. auf Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen gemäß § 7g Abs. 3 EStG beruhte, enthielten die Bescheide Festsetzungen von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO zur Einkommensteuer 2007 in Höhe von 6.158 EUR, berechnet vom 01.04.2009 bis zum 10.05.2013, und zur Einkommensteuer 2008 in Höhe von 1.519 EUR, berechnet vom 01.04.2010 bis zum 10.05.2013. In den Rechtsbehelfsbelehrungen fand sich jeweils der Hinweis, dass die Festsetzung der Zinsen mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs angefochten werden kann.

Mit Schreiben vom 10.06.2013 legten die Kläger „gegen die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 2006 bis 2008” sowie gegen den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 06.05.2013 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, Fahrtkosten des Klägers seien bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit in zu niedriger Höhe als Betriebsausgaben berücksichtigt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben der Kläger vom 10.06.2013 verwiesen.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom 30.12.2013 beantragten die Kläger „im Rahmen des Einspruchsverfahrens die Korrektur der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 hinsichtlich der bisherigen Verzinsung aufgrund der Nichtinanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages”. Die Kläger waren der Auffassung, die Voraussetzungen für die Änderung der Bescheide lägen vor. Der Gesetzgeber habe mit der Änderung des § 7g EStG die Folgen der Nichterfüllung einer fristgemäßen Investition oder der bestimmten Nutzungs- und Verbleibensvoraussetzungen neu geregelt. Würden die Begünstigungsvoraussetzungen nicht erfüllt, würde der Investitionsbetrag im Jahr der Bildung rückgängig gemacht. Wegen der damit verbundenen Änderung des Steuerbescheids, der höheren Steuerfestsetzung und der damit verbundenen Verzinsung gemäß § 233a AO habe der Gesetzgeber keine Notwendigkeit eines Zuschlags gesehen. Insbesondere enthalte § 7g Abs. 3 EStG für die Fälle der Aufgabe der Investitionsabsicht keinen Ausschluss der Bestimmung des § 233a Abs. 2a AO, wie ihn beispielsweise § 7g Abs. 4 Satz 4 EStG enthalte.

Der Beklagte wertete das Schreiben vom 30.12.2013 als Einsprüche gegen die Zinsfestsetzungen und wies diesen mit Einspruchsentscheidung vom 20.10.2014 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Einsprüche seien unzulässig, da diese nicht innerhalb der Einspruchsfrist, die am 10.06.2013 endete, beim Finanzamt eingegangen seien. Wiedereinsetzungsgründe lägen nicht vor. Die Zinsfestsetzungen seien auch nicht Gegenstand der bereits anhängigen Einspruchsverfahren geworden. Gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 AO solle bei der Einlegung des Rechtsbehelfs der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Einspruch gerichtet sei. Danach sei die Rechtswirksamkeit des eingelegten Rechtsbehelfs zwar nicht von einer genauen Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts abhängig, es sei jedoch erforderlich, dass sich die Zielrichtung des Begehrens aus der Rechtsbehelfsschrift in der Weise ergebe, dass sich der angefochtene Verwaltungsakt entweder aus dem Inhalt der Rechtsbehelfsschrift selbst ermitteln lasse oder Zweifel oder Unklarheiten am Gewollten durch Rückfragen des Finanzamts beseitigt werden könnten. Fehle es an einer eindeutigen ...

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