Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeit eines Steuerbescheids; Festsetzungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein Steuerbescheid, auf dem Namen und Adresse des Steuerpflichtigen handschriftlich geschrieben sind und der einen durchgestrichenen Text bzgl. einer Empfangsbevollmächtigung enthält und dessen Datum handschriftlich ergänzt wurde, ist nicht nichtig i.S.v. § 125 Abs. 1 AO.

2) Ein Steuerbescheid kann den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Behörde i.S.v. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO auch im Wege der beabsichtigten Bekanntgabe durch einen Behördenangehörigen als Amtsboten verlassen.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 125 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 05.05.2014; Aktenzeichen III B 85/13)

BFH (Beschluss vom 05.05.2014; Aktenzeichen III B 85/13)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Einkommensteueränderungsbescheid des Beklagten nichtig ist oder jedenfalls wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr hätte ergehen dürfen.

Die Kläger sind Eheleute und werden im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist von Beruf Rechtsanwalt und erzielte im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit jeweils als Gesellschafter von wechselnden Rechtsanwaltsozietäten.

In der am 30.1.2003 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung 2001 gaben die Kläger eine Beteiligung des Klägers an zwei Sozietäten an und baten darin um Ansatz der Einkünfte von Amts wegen. Im Einkommensteuerbescheid 2001 vom 9.5.2003 erfasste der Beklagte insoweit im Wege der – ausdrücklich als solchen bezeichneten – Schätzung einen Betrag i.H.v. 225.138 DM. Dieser Erstbescheid wurde sodann mehrfach geändert, zuletzt vor dem hier streitigen Bescheid durch den Änderungsbescheid vom 21.9.2004. In diesem berücksichtigte der Beklagte aufgrund von entsprechenden Feststellungsbescheiden Einkünfte des Klägers aus selbstständiger Arbeit i.H.v. 540.592 DM und setzte eine Einkommensteuer von 80.248,28 EUR (= 156.952 DM) fest.

In einem undatierten Schreiben der Kläger – beim Beklagten am 20.1.2010 eingegangen – unterrichteten die Kläger den Beklagten – betreffend das Streitjahr – über den Sachverhalt und den Verfahrensstand hinsichtlich einer Betriebsprüfung und einer abgeschlossenen tatsächlichen Verständigung über die Höhe des Firmenwertes der Sozietät A im Zeitpunkt der Realteilung. Nach Auskunft des zuständigen Finanzamts B solle der geänderte Feststellungsbescheid für 2001 am 30.12.2009 versendet werden. Die Mitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter sollten bereits versandt worden sein. Die Kläger baten den Beklagten, Einkommensteueränderungsbescheide für die Kalenderjahre 2001-2005 erst zu erlassen, wenn für alle Veranlagungszeiträume geänderte Gewinnfeststellungsbescheide vorlägen.

Auf diesem Schreiben ist handschriftlich als Wiedervorlagedatum der 16.4.2010 notiert.

In der Einkommensteuerakte des Beklagten findet sich sodann eine Mitteilung des Finanzamts B, datierend vom 30.12.2009, nach der für die „Gemeinschaft A Rechtsanwälte” in einem geänderten Feststellungsbescheid für 2001 vom 30.12.2009 für den Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.H.v. 853.693,62 DM festgestellt worden sind. Der Verfügungsteil am unteren Rand dieser Mitteilung enthält den Aktenvermerk einer Auswertung mit Namensparaphe und dem Datum des 19.12.2011.

Der Beklagte verfügte einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer für 2001, der im Rechenzentrum ausweislich des verschlüsselten Datums in der unteren rechten Ecke am 20.12.2011 gerechnet worden ist. Das dort erstellte Exemplar eines Bescheidentwurfs datiert vom 9.1.2012 und ist im Adressfeld an die „C Steuerberatung Sozietät” in B gerichtet. Dieses Schriftstück ist im Aktenexemplar durchgestrichen mit einem Bleistiftvermerk „Bereits versandt”.

Unter dem Datum des 23.12.2011 fertigte die Steuerinspektorin D einen Aktenvermerk, nachdem aus verwaltungsökonomischen Gründen auf eine personelle Zinsfestsetzung verzichtet worden sei. Der Bescheid sei daher „wie beigefügt (Kopie) am 23.12.2011 per PZU” zur Post gegeben worden. Sodann ist ein Wiedervorlagedatum vom 2.1.2012 vermerkt.

Die nachfolgende Kopie entspricht dem Schriftbild nach einem direkt beim Finanzamt ausgedruckten Steuerbescheid. Sie entspricht inhaltlich dem oben beschriebenen Bescheidentwurf, weist aber ein mit weißem Korrekturband überklebtes und handschriftlich auf den 23.12.2011 geändertes Datum auf. Inhaltlich sind darin Einkünfte aus selbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 832.958 DM erfasst und die Einkommensteuer auf 119.748,65 EUR (entspricht 234.208 DM) festgesetzt.

Die Steuerberatungssozietät C hat dem Beklagten mit Schreiben vom 2.1.2012 – bei diesem eingegangen am 3.1.2012 – mitgeteilt, dass für die Kläger keine uneingeschränkte Empfangsvollmacht auf deren Kanzlei vorliege. Als Anlage wurde der Einkommensteuerbescheid im Original samt Eingangsstempel der Kanzlei zurückgesandt.

Auf diesem Schreiben findet sich mit schwarzer Schrift ein paraphierter Aktenvermerk, datierend vom 4.1....

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