Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf rechtliches Gehör, Prozessverschleppung, Vertagung der mündlichen Verhandlung, Steuerhinterziehung, Einkünftezurechnung bei Auslandssachverhalten

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Einem Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung kann nicht stattgegeben werden, wenn nach grundlegender Änderung des Sachvortrags erst im Termin eine nicht hinreichend individualisierbare Zeugenbenennung erfolgt.

2) Ist das Finanzgericht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass sowohl die subjektiven wie auch die objektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen, greift die verlängerte zehnjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO.

3) Zur Zurechenbarkeit von Zahlungseingängen auf Auslandskonten und zur Hinterziehung von Einkommen- und Vermögenssteuern.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 155; ZPO § 227; AO § 169 Abs. 2 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.10.2011; Aktenzeichen X R 65/09)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zurechenbarkeit von Zahlungseingängen auf Auslandskonten und die Hinterziehung von Kapitaleinkünften im Anschluss an eine beim Kläger in den Jahren 1995 bis 1998 durchgeführte Fahndungsprüfung.

Der 1947 geborene Kläger und seine 1999 verstorbene Ehefrau wurden zusammen zur Einkommensteuer und Vermögensteuer veranlagt. Rechtsnachfolger der verstorbenen Ehefrau sind der Kläger sowie seine Töchter T und D. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der Firma „U-GmbH” (i.L. seit dem 1. Dezember 1991) und der am 11. Juli 1991 gegründeten Nachfolgefirma „W-GmbH”.

Alleiniger Anteilseigner der U-GmbH war zunächst die X-S.A. (Land M), die als X-AG auch eine Zweigstelle im Land R unterhielt. Vorstandsvorsitzender der X-S.A., Land M war Herr P.

In 1989 erwarb die S-Holding-AG (Land R) 19% der Anteile an der U-GmbH. Die verbleibenden 81% wurden am 31. Mai 1990 auf die Y-B.V. (Land N) übertragen. Auch die S-Holding-AG verkaufte ihren 19%-Geschäftsanteil am 30. November 1991 an die Y-B.V.. Alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der U-GmbH waren die Herren P (Land M) und der Kläger; im Jahr 1990 kam als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer noch Herr L hinzu.

Die W-GmbH wurde im Juli 1991 gegründet. Alleinige Gesellschafterin war die S-Holding-AG. Die Stammeinlage betrug 500.000 DM und war sofort einzuzahlen. Das Kapital zur Leistung dieser Stammeinlage stammte vom Kläger, der am 9. Juli 1991 von seinem Konto bei der Bank C (Land Q) einen Betrag von 520.000 DM an die S-Holding-AG in das Land R gezahlt hatte. Bei Gründung der W-GmbH durch notariellen Vertrag vom 11. Juli 1991 trat der Kläger als Bevollmächtigter der S-Holding-AG auf. Ausweislich des Gründungsvertrags der W-GmbH wurde der Kläger auch zum alleinigen Geschäftsführer dieser Gesellschaft bestellt. Die S-Holding-AG ist nach den Recherchen des Bundesamtes für Finanzen eine reine Domizilgesellschaft ohne eigenes Geschäftsbüro, deren Zweck der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Beteiligungen sowie Tätigung von Finanzierungsgeschäften aller Art ist (Mitteilung vom 20. August 1993; Ordner Strafurteil). Sie steht nicht im Telefonbuch und ist im Handelsamtsblatt und im Regionenbuch des Landes R mit einem sog. Domizilvermerk veröffentlicht. In Art. 43 der Verordnung über das Handelsregister im Land R heißt es dazu: „Wenn eine juristische Person am Orte des statuarischen Sitzes kein Geschäftsbüro hat, so muss in die Eintragung aufgenommen werden, bei wem sich an diesem Orte das Domizil befindet”. Domizilgeber ist danach die B-AG (Land R). Als alleiniger Verwaltungsrat der S-Holding-AG ist Herr E eingetragen, der unter der angegebenen Adresse gleichzeitig noch 13 weitere Mandate verwaltet (demnach sog. Massen-Domiziladresse).

Sowohl die U-GmbH als auch die W-GmbH handelten mit Produkten der Eisen- und Stahlindustrie. Die Gesellschaften betrieben den Ankauf von Erzen, deren Verhüttung im Land O und den Verkauf des Stahls an diverse Ostblockstaaten und den Iran. Für den Ankauf der Erze durch Gesellschaften des Landes O wurden erhebliche Schmiergelder gezahlt. Vor diesem Hintergrund erteilte das Finanzamt G der U-GmbH eine „verbindliche Zusage” über die Zulassung der Provisionszahlungen an Staatsbürger des Landes O auf Konten außerhalb der BRD zum Betriebsausgabenabzug, ohne dass die Empfänger der Finanzverwaltung namhaft gemacht werden mussten. Bei einer Betriebsprüfung der U-GmbH für den Zeitraum von 1989 bis 1991 wurden Provisionszahlungen i.H.v. rd. 12,3 Millionen DM auf Konten im Land Q festgestellt, u.a. auf ein Konto bei der Bank C; für den gleichen Zeitraum erklärte die U-GmbH einen Verlust von rd. 2,2 Millionen DM.

Im Jahr 1991 entstanden zusätzliche Geschäftsbeziehungen zwischen der W-GmbH und der 1994 aufgelösten Z-GmbH. Geschäftsführer der Z-GmbH war Herr S. Gegenstand der Geschäftsbeziehungen waren Stahlgeschäfte mit dem Iran. Ausweislich einer Jointventure-Vereinbarung vom...

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