Entscheidungsstichwort (Thema)

Offenbare Unrichtigkeit bei Schätzung des Gewinns

 

Leitsatz (redaktionell)

Legt das FA im Rahmen einer wegen Nichtabgabe der Steuererklärung notwendigen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen der Steuerfestsetzung (ledlich) einen gewerblichen Gewinn von 20.000 EUR zugrunde, obwohl die Kläger in einer dem FA übersandten Anlage GSE und dem Jahresabschluss einen Gewinn von 66.041 EUR erklärt hatten, liegt darin eine offenbare Unrichtigkeit, wenn anzunehmen ist, dass der Bearbeiter die übersandten Unterlagen übersehen hat.

 

Normenkette

AO §§ 162, 129

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 04.02.2014; Aktenzeichen X B 201/13)

 

Tatbestand

Streitig ist die Befugnis des Beklagten zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2005 nach § 129 AO.

Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Sie erzielen beide u.a. gewerbliche Einkünfte, der Kläger aus der gewerblichen Verpachtung einer Gaststätte sowie aus einer Versicherungsvertretung, die Klägerin aus einem Einzelhandel mit Damenoberbekleidung.

Einkommensteuerlich werden die Kläger bereits seit 1998 bei dem Beklagten unter der Steuernummer …/…/1 geführt. Daneben bestehen für die Kläger mit Blick auf den zweiten Gewerbebetrieb des Ehemannes sowie den Gewerbebetrieb der Ehefrau jeweils separat zwei weitere Steuernummern – …/…/2 für das Versicherungsgewerbe des Ehemannes und …/…/3 für die Ehefrau. Auf der Vorderseite der Einkommensteuerakte der Kläger ist handschriftlich folgender Vermerk angebracht:

„„FI”

EM …/…/2

EF …/…/3”.

Unter der Nummer …/…/3 wird die Klägerin – ebenfalls seit 1998 – für Zwecke der Festsetzungen des Gewerbesteuermessbetrages und der Umsatzsteuer aus ihrem Textileinzelhandel geführt, es werden die Steuererklärungen und Gewinnermittlungen hierzu in der entsprechenden Akte abgelegt sowie die Steuerbescheide unter dieser Steuernummer erlassen und abgelegt.

In den von ihrem steuerlichen Berater erstellten und zu …/…/1 eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2001-2004 hatten die Kläger den Gewinn aus dem Textileinzelhandel jeweils auf der Vorderseite des Erklärungsformulars „Anlage GSE” zu der Kennziffer 59 mit der Beschreibung „lt. gesonderter Feststellung (Betriebsstättenfinanzamt und Steuernummer)” eingetragen. Dazu war von dem Steuerberater der Kläger stets vermerkt worden „A … 3”.

Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Gewerbesteuerakte des Beklagten zu der Steuernummer …/…/3 war dort am 10.1.2007 eine von dem steuerlichen Berater erstellte und von der Klägerin unterschriebene „Erklärung zur gesonderten – und einheitlichen – Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung” eingegangen, der ein Vordruck „Anlage GSE”, eine Gewerbesteuererklärung sowie der Jahresabschluss für den Textileinzelhandel, jeweils für das Jahr 2005, beigefügt waren. In den dafür vorgesehenen Feldern der Erklärungsvordrucke sowie auf dem Deckblatt des Jahresabschlusses war jeweils die Steuernummer mit „… 3” bzw. „…/…/3” eingetragen worden.

Auf der ersten Seite des Erklärungsvordruckes waren von dem Steuerberater der Kläger die Felder „Wohnsitzfinanzamt” und „Steuernummer” mit „A” und „…/…/1” ausgefüllt worden; die Seite ist handschriftlich durchgestrichen und mit dem Vermerk „keine Feststellung” versehen. Auf der dahinter abgehefteten „Anlage GSE” ist der von dem Steuerberater für den Textileinzelhandel mit 65.808 EUR in die Kennziffer 10 des Vordrucks eingetragene Gewinn handschriftlich durchgestrichen; links daneben befindet sich eine Notiz „§ 4 Abs. 4a EStG vgl. Bilanzakte”, rechts daneben der ebenfalls handgeschriebene Vermerk „10/66.041”.

Der vorliegende Jahresabschluss weist auf Seite 8 einen Gewinn für den Einzelhandel der Klägerin i. H. v. 60.442,70 EUR aus; darunter ist handschriftlich notiert „+ Hinzurechnung § 4 Abs. 4a EStG + 5.599,–” sowie „66.041,70”.

In der Gewerbesteuerakte des Beklagten zu …/…/3 heften darüber hinaus der wiederum handschriftlich durchgestrichene und mit der Anmerkung „intern” versehene amtliche Bescheidvordruck „Gesonderte Feststellung des Gewinns 2005”, ausgefüllt u.a. mit der Datumsangabe „02.02.2007” und dem „Gewinn aus Gewerbebetrieb 66.041”, sowie ein Schreiben des zuständigen Sachbearbeiters des Beklagten an den steuerlichen Berater der Kläger mit auszugsweise folgendem Inhalt:

„Termin/Frist: 09.03.2007

…/…/3

08.02.2007

Gewerbesteuer 2005

B, aus C

Sehr geehrter Herr D,

ich beabsichtige von einem Gewinn in Höhe von 66.041,– EUR auszugehen (vgl. beigefügte Anlage). Sollten Sie eine Stellungnahme für erforderlich halten, bitte diese bis zum o.g. Termin einzureichen.”

Die dem Schreiben nachgeheftete Anlage besteht in einer Berechnung des Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4a EStG für den Zeitraum 2005 und lautet auf einen „Hinzurechnungsbetrag gem. § 4 Abs. 4a EStG” von 5.599 EUR.

Dahinter ist die Gewerbesteuererklärung für 2005 abgelegt; der unter „Gewinn” erklärte Wert von 65.808 EUR ist wiederum handschriftlich durchgestrichen und mit dem handgeschriebenen Kommentar „§ 4 Ab...

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