Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung der Besteuerung von Leistungen im Zusammenhang mit einer Entlassungsabfindung

 

Leitsatz (redaktionell)

Veranlagt das Finanzamt Leistungen im Zusammenhang mit einer Entlassungsabfindung ohne weitere Ermittlungen erklärungsgemäß mit dem ermäßigten Steuersatz, ist eine spätere Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs.1 Nr. 1 AO 1977 ausgeschlossen.

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 03.07.2002; Aktenzeichen XI R 27/01)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte den bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid 1993 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern durfte.

Die steuerlich nicht vertretenen Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger war im Streitjahr bis zum 30.6. als … bei der Fa. … nichtselbständig tätig. Im Zusammenhang mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin schloß diese mit dem Kläger eine Abfindungsvereinbarung. Nach telefonischer Angabe des Klägers am Tage vor der Sitzung verpflichtete sich die Arbeitgeberin in dieser Vereinbarung nicht nur zur Zahlung einer Entlassungsabfindung in 1993 i.H. von brutto 88.715 DM, sondern auch zu folgenden weiteren Zahlungen:

  • vom 1.7.1993 – 30.6.1994 die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und 90 v.H. des letzten Bruttogehalts;
  • vom 1.7.1994 – 30.6.1995 die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und 80 v.H. des letzten Bruttogehalts;
  • vom 1.7.1995 – 31.7.1996 die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und 70 v.H. des letzten Bruttogehalts.

Nach weiterer Angabe des Klägers betrug die monatliche Zahlung im Zeitraum 1.7.1994 – 30.6.1995 DM 624,00.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bezog der Kläger ab dem 1.7. Arbeitslosengeld. Entsprechend den Eintragungen auf seiner Lohnsteuerkarte gab er in der Anlage N zu seiner am 31.1.1994 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung einen Bruttoarbeitslohn von 65.852 DM, „andere Lohnersatzleistungen” i.H. von 17.948 DM und ermäßigt zu besteuernde Entschädigungen i.H. von 52.715 DM an. In der Zeile 8 (Zeiten und Gründe der Nichtbeschäftigung) gab er an: „Arbeitgeberseitig veranlaßte Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.6.1993”. In einer Erläuterung zur Einkommensteuererklärung führte er unter Ziffer 2 folgendes aus:

„… zahlte mir wegen Arbeitsplatzverlusts und entgehender Einnahmen eine Abfindung i.H. von 88.715 DM …. Entsprechend Steuervorschriften bleiben davon 36.000 DM steuerfrei. Für die restlichen 52.715 DM beantrage ich gemäß § 34 Abs. 1 EStG den halben Steuersatz.”

Ein Abfindungsvertrag war der Steuererklärung nicht beigefügt. Die Steuererklärung und die Erläuterung hierzu enthalten auch keinen Hinweis auf einen Abfindungsvertrag.

Mit dem nach § 165 Abs. 1 AO wegen verschiedener Verfassungsbeschwerden teilweise vorläufigem Bescheid vom30.3.1994 folgte der Beklagte den Angaben der Kläger und setzte die Einkommensteuer auf 16.632 DM fest. Dieser Bescheid wurde von den Klägern nicht angefochten.

Am 29.10.1998 ging bei dem Beklagten eine Kontrollmitteilung des FA … vom 20.10.1998 ein. Darin wurde dem Beklagten mitgeteilt, daß bei der Arbeitgeberin des Klägers eine Lohnsteueraußenprüfung stattgefunden habe. Hierbei sei festgestellt worden, daß die im Jahre 1993 ausgezahlte Abfindung i.H. von 88.715 DM nicht gemäß § 34 Abs. 1 EStG begünstigt sei. Nach Zahlung des Abfindungsbetrages seien auch in späteren Jahren Zahlungen aus den in der Anlage zu der Kontrollmitteilung angegebenen Gründen erfolgt. Bei diesen weiteren Zahlungen in späteren Jahren handelte es sich laut Kontrollmitteilung um

  • •einen steuerpflichtigen Zuschuß des Arbeitgebers zur Krankengrundversicherung,
  • •einen steuerpflichtigen Zuschuß des Arbeitgebers zur Krankenzusatzversicherung,
  • •eine Garantie des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit eine festgelegte Versorgung unter Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes, der SV-Rente und der betrieblichen Altersversorgung. Der Arbeitnehmer erhält aufgrund dieser Regelung für eine bestimmte Zeit eine monatliche Zuschußzahlung;
  • •eine Nachzahlung von 1.742 DM; der Arbeitnehmer habe die Klausel 02/94 in Anspruch genommen.

Die Kontrollmitteilung enthält weiter den Hinweis, daß gemäß § 3 Nr. 9 EStG ein Freibetrag von 36.000 DM berücksichtigt werden könne.

In Auswertung dieser Kontrollmitteilung erließ der Beklagte wegen des mit Ablauf des Jahres 1998 drohenden Eintritts der Festsetzungsverjährung ohne vorherige Anhörung mit Datum vom23.11.1998 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid, mit dem er die Einkommensteuer nunmehr auf 25.618 DM festsetzte (Unterschiedsbetrag = 8.986 DM). Hierbei unterwarf er die dem Kläger gezahlte Abfindung von 88.175 DM dem vollen Steuersatz. In den Erläuterungen zu diesem Änderungsbescheid empfahl er den Klägern, Einspruch einzulegen, da ein BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung von Entlassungsentschädigungen erwartet werde. Gleichzeitig setzte er Nachzahlungszinsen i.H. von 1.913 DM fest.

Gegen diesen Änderungsbescheid legten die Klä...

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