Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitteilungen der Finanzämter an die Arbeitsverwaltung
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Mitteilung von nach § 30 AO geschützten Rechtsverhältnissen stellt einen grundrechtsgleichen Eingriff dar, der bei vorhandener Eilbedürftigkeit durch Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewehrt werden kann.
2) Bezieht der Steuerpflichtige Arbeitslosengeld I, das als reine Versicherungsleistung unabhängig vom Vermögen des Antragstellers geleistet wird, ist es dem FA nicht gestattet, der Arbeitsverwaltung die während des Bezugs erzielten Kapitaleinkünfte des Steuerpflichtigen mitzuteilen.
3) Die Regelung des § 31a AO ist verfassungsgemäß.
4) Die "Erforderlichkeit" i.S. des § 31a Abs. 1 AO ist bereits dann gegeben, wenn sie conditio sine qua non für die Einleitung eines entsprechenden behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens i.S. des § 31a Abs. 1 AO ist. Ein konkreter Tatverdacht im strafprozessualen Sinn ist nicht notwendig.
5) Eine Mitteilung nach § 31a Abs. 1 AO kann auch ohne vorheriges Auskunftsersuchen der Arbeitsverwaltung erteilt werden.
Normenkette
AO §§ 30, 31a; BGB § 1004 Abs. 1 S. 1; SGB III § 118; FGO § 114
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer beabsichtigten Auskunft des Antragsgegners an die Arbeitsverwaltung. Streitentscheidend ist die Frage, ob dem Antragsgegner eine Ermächtigung für die Erteilung der Auskunft zusteht.
Nachdem beim Antragsteller wegen dem Antragsgegner vorliegender Kontrollmitteilungen zunächst eine Umsatzsteuernachschau durchgeführt worden war, wurde diese in eine reguläre Außenprüfung wegen Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2005 übergeleitet. Aufgrund neu gewonnener Erkenntnisse erweiterte der Antragsgegner in formell ordnungsgemäßer Weise die Außenprüfung auf die Jahre 1996 bis 2001. Hierbei gewährte der Antragsteller dem Antragsgegner Einsicht in seine Unterlagen, legte seine Bankauszüge vor und half mit, den Sachverhalt aufzuklären.
Der Prüfer ermittelte, dass der Antragsteller folgende – der Höhe nach unstreitige – Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 EStG erzielte, die er zum Teil nicht erklärt hatte; es handelt sich dabei um Einkünfte, die der Antragsteller aus seiner Tätigkeit als Berater und als nebenberuflicher und freiberuflicher Prüfer bei der … erwirtschaftete:
2002: |
34.621,90 EUR, |
2003: |
52.865,90 EUR, |
2004: |
49.028,81 EUR. |
Ferner wurde bekannt, dass der Antragsteller folgende Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit empfangen hatte:
2002: |
6.749,04 EUR, |
2003: |
10.923,11 EUR, |
2004: |
16.328,01 EUR. |
Die Außenprüfung wurde einvernehmlich abgeschlossen, wegen Einzelheiten wird auf den Bericht vom …2007 verwiesen.
Bereits während der Prüfung hatte der Antragsgegner angekündigt, der Bundesagentur für Arbeit seien Erkenntnisse über die Höhe der freiberuflichen Einkünfte mitzuteilen. Dem wurde seitens des Antragstellers widersprochen.
Nachdem der Antragsgegner bei seiner vorgesetzten Behörde hinsichtlich der Auskunftserteilung nachgefragt hatte, wurde die – in den Steuerakten im Entwurf befindliche – Auskunft gefertigt. Danach ist vorgesehen, der Arbeitsverwaltung die Höhe der in den Jahren 2002 bis 2004 o.g. erzielten Gewinne aus selbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus Gewerbebetrieb (3.494 EUR) und Einkünfte aus Kapitalvermögen des Jahres 2004 (2.244 EUR) mitzuteilen.
Hiergegen hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung trägt er vor, dass er einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog gegen den Antragsgegner habe, die Auskunft zu unterlassen. Die Feststellungen, die der Antragsgegner getroffen habe, unterlägen dem Steuergeheimnis nach § 30 AO. Eine pauschale Weiterleitung sei unzulässig und verstoße gegen das Steuergeheimnis nach § 30 AO sowie das darin verankerte Recht auf Selbstbestimmung. Eine sich aus § 31a AO ergebende Mitteilungspflicht bestehe nicht. Der Antragsgegner habe in jedem Einzelfall die Voraussetzungen für die Offenbarung zu überprüfen sowie welche Auskünfte erforderlich seien und erteilt werden dürften. Dass dem Antragsteller in der Zeit, in der er arbeitslos gemeldet gewesen sei, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Berater und IHK-Prüfer zuflossen, erfülle den Tatbestand des § 31a AO nicht, da dies weder den Tatbestand der Schwarzarbeit noch eine Mitteilungspflicht bei der Agentur für Arbeit zur Folge habe. Der Zufluss allein besage nichts über den Zeitpunkt der Tätigkeitsausübung. Selbst die Tätigkeitsausübung lasse den Anspruch auf Arbeitslosengeld nur dann entfallen, wenn sie mehr als 15 Stunden die Woche betrage. Dabei werde der Berechnungszeitraum aus der Sicht des Auftragnehmers für einen Zweimonatszeitraum berechnet. Im Ergebnis bedeute das, dass er – der Antragsteller – bei Annahme des Auftrages für einen Zweimonatszeitraum schätzen müsse, ob er für den Auftrag weniger als 15 Stunden die Woche arbeite. Sei dies der Fall, so w...