Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflichtige Lohnersatzleistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Lohnersatzleistungen (hier: Insolvenzgeld) sind bei der Ermittlung der "bezogenen Leistungen" nicht um die Sozialversicherungsbeiträge zu kürzen .

2. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit - auch im Hinblick auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben - ergeben sich nicht.

 

Normenkette

EStG § 32b Abs. 1, § 32c

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob Lohnersatzleistungen auch insoweit beim Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen sind, als der Kläger verpflichtet ist, davon Sozialversicherungsbeiträge abzuführen.

Der Kläger war als Diplom-Ingenieur nichtselbständig tätig und hatte sich privat krankenversichert. Im Streitjahr 1999 bezog er Insolvenzgeld nach § 183 SGB III in Höhe von 20.338 DM. Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 5. April 2001 wurden diese steuerfreien Lohnersatzleistungen in voller Höhe in die Berechnung des besonderen Steuersatzes gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG einbezogen (Progressionsvorbehalt). Der Bescheid erging vorläufig, allerdings nur hinsichtlich „der Anwendung des § 32c EStG”.

Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, in dem ausgezahlten Insolvenzgeld seien Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung enthalten, die er in Höhe von 6.640 DM habe abführen müssen (Beiträge für die Rentenversicherung im Rahmen der Architektenkammer: 5.108 DM; Kranken- und Pflegeversicherung 1.532 DM). Deshalb dürfe dieser Betrag nicht im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden. Werde über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet oder erfolge eine Abweisung mangels Masse, so erhalte der Arbeitnehmer für die letzten drei Monate vor Insolvenzeröffnung Ersatz für den ausgefallenen Nettolohn. Grundsätzlich würden die Sozialversicherungsbeiträge bei der Auszahlung des Insolvenzgelds direkt an die jeweiligen Kassen überwiesen; der Betroffene erhalte nur das jeweilige Nettogehalt als Insolvenzgeld ausgezahlt. Beim Kläger sei nur deshalb eine andere Auszahlungsmodalität gewählt worden, weil dieser privat versichert sei. Habe der Arbeitgeber in diesem Zeitraum auch keine Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge für den Arbeitnehmer abgeführt, so decke das Insolvenzgeld auch dieses Risiko ab.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2002 aus, die Vorschrift des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG lasse eine Minderung der Summe der bezogenen Leistungen nur in Höhe des Arbeitnehmer-Pauschbetrags zu, und auch dies nur insoweit, als der Pauschbetrag nicht bereits bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen worden sei. Da jedoch im Streitfall bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Arbeitnehmer-Pauschbetrag bereits berücksichtigt worden sei, hätten die Lohnersatzleistungen ungekürzt bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes berücksichtigt werden müssen.

Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid für 1999 in der Form des Änderungsbescheids vom 9.11.2006 dahin ändern, dass die Bemessungsgrundlage für die Anwendung des Progressionsvorbehalts um 6.640 DM gekürzt wird.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Gesetzeswortlaut des § 32b EStG lässt es nicht zu, die im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigenden Lohnersatzleistungen um abzuführende Sozialversicherungsbeiträge zu kürzen.

1. Hat ein zeitweise oder während des gesamten Veranlagungszeitraums unbeschränkt Steuerpflichtiger Insolvenzgeld bezogen, so ist auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 a EStG). Der danach anzuwendende besondere Steuersatz berechnet sich gemäß Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift in der Weise, dass das zu versteuernde Einkommen (§ 32a Abs. 1 EStG) zu vermehren ist um „die Summe der Leistungen nach Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags (§ 9a Satz 1 Nr. 1 EStG), soweit er nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar ist”.

2. Danach ist grundsätzlich von der Summe der bezogenen Leistungen auszugehen, die nur insoweit noch um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag zu kürzen ist, als der Pauschbetrag nicht bereits bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar ist. Für eine Kürzung der Lohnersatzleistungen etwa um gezahlte Sozialversicherungsbeiträge fehlt es deshalb an einer gesetzlichen Grundlage. Diese Auslegung entspricht auch der Systematik des EStG, weil andernfalls die Sozialversicherungsabgaben nochmals berücksichtigt würden, obwohl sie das zu versteuernde Einkommen bereits im Rahmen der Sonderausgaben nach § 10 EStG bereits gemindert haben (Schmidt/Heinicke, EStG, 25. Aufl., § 32b Anm. 45; Niedersächsisches FG, Urteil vom 17. Mai 2005 16 K 20150/03, EFG 2005, 1670, FG Berlin, Urteil vom 16. Februar 1995 I 157/94, EFG 1...

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