Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundstücksnießbraucher kein wirtschaftlicher Eigentümer - Prozessverschleppung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Nießbraucher eines Grundstücks ist im Regelfall nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks.

2) Wirtschaftliches Eigentum wird auch nicht dadurch begründet, dass der Nießbraucher vertraglich sämtliche Lasten und Aufwendungen für die Unterhaltung des Nießbrauchsobjekts übernommen hat, die Bestellung des Nießbrauchs auf die Lebenszeit des Nießbrauchers erfolgt ist und Rückauflassungsvormerkungen im Grundbuch eingetragen sind.

3) Erst kurz vor der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Bedenken an der Höhe eines Entnahmewerts können wegen Prozessverschleppung zurückgewiesen werden, wenn eine Kanzlei, die gerichtsbekannt dafür ist, dass sie regelmäßig kurz vor der mündlichen Verhandlung in umfangreichen Schriftsätzen bisher Unstreitiges in Zweifel zieht und Beweisanträge stellt und das Gericht keine Veranlassung hatte, den jahrelang nicht beanstandeten Entnahmewert zu hinterfragen.

 

Normenkette

FGO § 96; AO § 39

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 29.09.2008; Aktenzeichen X B 203/07)

BFH (Beschluss vom 29.09.2008; Aktenzeichen X B 203/07)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Übertragung von Grundstücken zu einer Entnahme und damit steuerpflichtigem laufendem Gewinn geführt hat.

Der 1940 geborene Kläger betreibt auf den Grundstücken H- Str. und F- Str. einen Einzelhandel mit Wohnmöbeln und Beerdigungsinstitut. Die Gebäude wurden in den 1950er Jahren errichtet bzw. generalüberholt. Die Grundstücke gehörten zum notwendigen Betriebsvermögen des Klägers.

Mit notariell beurkundetem Übertragungsvertrag vom 29.12.1995 des Notars J (Urkundsrollen-Nr.: …) übertrugen der Kläger, soweit er Alleineigentümer des Grundbesitzes war, und die Kläger, soweit sie Miteigentümer von Grundbesitz waren, ihren Grundbesitz auf ihre 2 Kinder. Dazu gehörten auch die bisher betrieblich genutzten Grundstücke. In § 3 des Übertragungsvertrags behielten die Kläger sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an den Grundstücken vor. Sie trugen auch die außergewöhnlichen privaten und öffentlich rechtlichen Belastungen der Grundstücke. § 4 des Vertrages enthält zu Gunsten der Kläger ein Veräußerungs- und Belastungsverbot. Die Grundstücke durften ohne Zustimmung der Kläger weder veräußert noch belastet werden. Bei einem Verstoß waren die Erwerber verpflichtet, die Grundstücke auf die Kläger zurückzuübertragen. Die Verpflichtung zur Rückübertragung wurde dinglich durch eine Rückauflassungsvormerkung gesichert. Eine Verpflichtung zur Rückübertragung der Grundstücke besteht außerdem, wenn die Erwerber vor einem der beiden Kläger versterben. Nach § 5 Ziff. 4 des Vertrages trägt der Kläger für die übertragenen Grundstücke bis zu seinem Tode, und danach die ebenfalls 1940 geborene Klägerin die Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch und die Lasten nach dem Kommunalabgabengesetz. Besitz, Nutzungen, Gefahr und Lasten gingen am Tag des Vertragsabschlusses auf die Erwerber über.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Übertragungsvertrag Bezug genommen.

Der Kläger nutzte die Grundstücke weiterhin für betriebliche Zwecke. In den Jahren 1997 und 1998 führte er auf eigene Rechnung umfangreiche Arbeiten an den Gebäuden durch, deren Kosten insgesamt ca. 1,3 Mio. betrugen.

Im Zuge einer Betriebsprüfung für die Jahre 1993 – 1995 kam der Betriebsprüfer zu dem Schluss, dass durch die Grundstücksübertragung auf die Kinder eine Grundstücksentnahme bewirkt worden sei. Dies habe zur Folge, dass die in den Grundstücken enthaltenen stillen Reserven zu realisieren seien. Den hieraus resultierenden Entnahmegewinn ermittelte die Betriebsprüfung mit 925.298,00 DM. Dieser Betrag wurde von den Klägern weder in der Betriebsprüfung noch im Einspruchsverfahren noch im Klageverfahren bis 10 Tage vor der mündlichen Verhandlung in Frage gestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 02.10.1998 bezug genommen.

Der Beklagte folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und erließ am 14.1.1999 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1995, in dem er unter anderem einen Entnahmegewinn in Höhe von 925.298,00 DM ansetzte.

Den gegen den Einkommensteueränderungsbescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 18.08.2003 als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung bezug genommen.

Mit der Klage tragen die Kläger vor:

In der Übertragung des Eigentums an den in § 2 des Vertrags vom 29.12.1995 genannten Grundstücke liege keine Entnahme aus dem Betriebsvermögen des Klägers, weil dieser wirtschaftlicher Eigentümer geblieben sei. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sei der Vorbehaltsnießbraucher wirtschaftlicher Eigentümer, wenn seine rechtliche und tatsächliche Bestellung gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer des Grundstücks so über die gesetzlichen – lediglich eine Nutzungsbefugnis vermittelnden – Regelungen der § 1030 ff. BGB hinausgehe, dass er di...

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