Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit der Prüfung, wenn eine Aufgabe trotz Unklarheit lösbar bleibt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das bei Steuerberaterprüfungen geltende Gebot der Chancengleichheit ist nur verletzt, wenn innerhalb eines Bundeslandes keine einheitlichen Prüfungsbedingungen geherrscht haben.

2. Ein Verstoß gegen das bei Prüfungen geltende Gebot der Aufgabenklarheit ist nicht schon dann gegeben, wenn Deutungsspielräume den Prüfling nur über Sachverhaltsdetails im Unklaren lassen, die den rechtlich gebotenen Prüfungsgang nicht wesentlich berühren können.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; StBerG § 35 Abs. 1, § 37a Abs. 2, 2 S. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen der Noten für seine schriftlichen Prüfungsarbeiten zu Recht von der mündlichen Steuerberaterprüfung 1998 ausgeschlossen worden ist und diese damit nicht bestanden hat.

Der … geborene Kläger ist Diplom …. Die Steuerberaterprüfungen 1995 und 1996 hat er nicht bestanden. In der Steuerberaterprüfung 1998 erhielt er für seine Aufsichtsarbeiten die Noten 5,0, 4,5, 5,0. Die Gesamtnote für die schriftliche Prüfung betrug somit 4,83. Durch Bescheid vom 29.01.1999 teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß er aufgrund dieses Ergebnisses gemäß § 25 Abs. 2 DVStB von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen sei und die Steuerberaterprüfung 1998 nicht bestanden habe. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 25.02.1999 Klage erhoben.

Der Kläger trägt vor, das Thema „Prüfung” sei für ihn ein sehr leidvolles. Denn er wolle Nachfolger seines als Steuerberater tätigen Vaters werden. Die erste Prüfung habe er, der Kläger, nicht bestanden, weil er sich auf diese nur kurz vorbereitet gehabt habe. Die zweite Prüfung sei ein klassischer Fehlschuß gewesen. Auf die dritte Prüfung habe er sich gut vorbereitet. So habe er einen dreimonatigen Kursus bei der Steuerfachschule … besucht. Bei der Prüfung habe er an den beiden ersten Tagen zunächst ein gutes Gefühl gehabt. Problematisch wäre es erst am dritten Tag geworden, als eine Klausur im Bilanzsteuerrecht zu bearbeiten war. Die gestellte Aufgabe habe einen verwirrenden Fehler enthalten. Hierdurch sei er in erhebliche Zeitnot geraten und habe den Faden verloren. Mit seiner Meinung, die Aufgabenstellung sei verwirrend gewesen, stehe er nicht allein. Er wisse, daß bei der gleichzeitigen Prüfung in … weitere Prüflinge die Aufgabenstellung moniert hätten. Für diese Prüflinge sei jedoch der Sachverhalt klargestellt und die Bearbeitungszeit um 30 Minuten verlängert worden.

Hinsichtlich des Fehlers im Aufgabentext konkretisiert der Kläger seinen Vortrag dahingehend, daß in der Klausur über Buchführung und Bilanzwesen die Rücklage nach § 6 b EStG laut Aufgabentext auf den Verkauf eines Wirtschaftsguts im Jahre 1992 zurückgegangen sei. Die Rücklage habe deshalb erstmals im Jahresabschluß zum 31.12.1992 passiviert werden können. Nach § 6 b Abs. 3 S. 2 EStG habe sie spätestens nach Ablauf von 4 Jahren gewinnerhöhend aufgelöst werden müssen, d. h. zum 31.12.1996. Dies widerspreche aber der Textvorgabe im Sachverhalt I, nach der die vorgegebenen Buchwerte zum 31.12.1996 nicht zu beanstanden seien.

Der Kläger beantragt,

ihm unter Änderung des Bescheids des Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, die Klausur über Buchführung und Bilanzwesen zu wiederholen,

hilfsweise alle drei schriftlichen Klausuren unbewertet zu lassen und ihn noch einmal zu einer Steuerberaterprüfung zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, es treffe zu, daß der Aufgabentext der Klausur über Buchführung und Bilanzwesen ein unzutreffendes Datum im Zusammenhang mit der Rücklage nach § 6 b EStG enthalten habe. Da insoweit eine Abstimmung mit dem Verfasser des Aufgabentextes erforderlich gewesen sei, habe die Angelegenheit abschließend erst geklärt werden können, als zu erwarten gewesen sei, daß die weitaus größte Anzahl der Bewerber den Fall I bereits gelöst hatte. Im Interesse der Kandidaten sei deshalb davon abgesehen worden, das falsche Datum während der laufenden Bearbeitungszeit richtigzustellen. Stattdessen seien die Gutachter der Klausuren gebeten worden, die Unstimmigkeit im Aufgabentext bei der Bewertung der Klausuren zu berücksichtigen und alle nach der Aufgabenstellung vertretbaren Lösungsmöglichkeiten zu akzeptieren und hierfür eine angemessene Punktzahl zu vergeben. Die Aufsichtsarbeit des Klägers enthalte zur Rücklage nach § 6 b EStG allerdings keine Ausführungen, so daß keine Punkte hätten vergeben werden können. Im übrigen fehlten dem Kläger in der Klausur über Buchführung und Bilanzwesen für die Note 4, mit der er zur mündlichen Prüfung zuzulassen gewesen wäre, mindestens 19 Punkte. Daß er diese Punkte ausschließlich aufgrund der verlorenen Zeit nicht erzielt habe, erscheine angesichts der insgesamt vom Kläger gezeigten Leistung zweifelhaft.

Gegen dem Grundsatz der Chancengleichheit ist nach Meinung des Beklagten nicht verstoßen worden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Prüfungsbehörde einzeln...

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