Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Billigkeitsmaßnahme hinsichtlich vortragsfähiger Verluste aus Spekulationsgeschäften im Jahr 2001

 

Leitsatz (redaktionell)

Wegen der zeitlichen Streckung des Verlustausgleichs von Verlusten aus Spekulationsgeschäften im Jahr 2001 besteht kein Anspruch auf Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen.

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 1 Nr. 4, § 22 Nr. 3; AO § 163

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 21.05.2019; Aktenzeichen IX B 106/18)

BFH (Aktenzeichen IX B 106/18)

 

Tatbestand

Die Klägerin war im Streitjahr als Steuerberaterin nichtselbständig tätig. Darüber hinaus hat sie Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, aus Beteiligungseinkünften, aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen, deren Gesamtsumme sich im Streitjahr 2001 auf 996.988 DM belief. Darüber hinaus erlitt die Klägerin wegen des Börsencrashs erhebliche Verluste (sonstige Einkünfte) aus Stillhaltergeschäften und anderen privaten Veräußerungsgeschäften. Diese wurden vom Beklagten wie folgt berücksichtigt:

Einnahmen:

5.119.990,21 DM

Ausgaben:

9.730.735,19 DM

Einkünfte:

- 4.410.755,98 DM.

Wegen der Verlustausgleichsbeschränkung gemäß 22 Nr. 3 Sätze 3 und 4 Einkommensteuergesetz (EStG) erfolgte keine Verrechnung mit den positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten; der verbleibende Verlustvortrag auf den 31.12.2001 wurde entsprechend festgestellt.

Gegen den Einkommensteuer- und Verlustfeststellungsbescheid für das Jahr 2001 vom 18.11.2003 hatte die Klägerin rechtzeitig Einspruch eingelegt und beantragt, die Verluste mit den positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten zu verrechnen. Die gegen diese Bescheide gerichteten Einspruchsverfahren wurden zum Ruhen gebracht. Über die Einsprüche wurde noch nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 16.05.2015 beantragte die Klägerin für das Streitjahr 2001, aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 der Abgabenordnung (AO) die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag auf 0,00 DM festzusetzen. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 12.08.2015 abgelehnt.

Zur Begründung führte der Beklagte wie folgt aus:

Nach § 163 Satz 2 AO könnten steuermindernde Besteuerungsgrundlagen berücksichtigt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre. Die unbillige Härte könne in der Sache selbst liegen, aber auch in den persönlichen oder betrieblichen Verhältnissen der Steuerpflichtigen begründet sein. Der Zweck des § 163 AO liege darin, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalles, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt habe, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrages insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen ließen (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 22.10.2014 II R 4/14, BStBl II 2015, 237, m.w.N.). Sachlich unbillig sei die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspreche, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderlaufe, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheine. So verhalte es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden könne, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte – im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Eine Billigkeitsentscheidung dürfe jedoch nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Die Erhebung bzw. Einziehung eines Einkommensteueranspruchs könne sachlich unbillig sein, wenn das Zusammenwirken verschiedener Regelungen zu einer hohen Steuerschuld führe, obgleich dem kein Zuwachs an Leistungsfähigkeit zu Grunde liege (BFH-Urteil vom 26.10.1994 X R 104/92, BStBl II 1995, 297). Dabei müsse eine Gesamtbeurteilung aller Normen, die für die Verwirklichung des infrage stehenden Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich seien, erfolgen.

Bis einschließlich 1998 hätten Verluste aus Stillhaltergeschäften und privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG bzw. § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG nicht mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten ausgeglichen bzw. nach 10d EStG abgezogen werden können. Dieser völlige Ausschluss der Verlustverrechnung sei nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30.09.1998 (2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88) verfassungswidrig. Aus diesem Grunde habe der Gesetzgeber im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 1999 die Verlustausgleichsbeschränkungen entsprechend den Vorgaben des BVerfG geändert. Seitdem könnten verbleibende Verluste nach Maßgabe des § 10d EStG mit Gewinnen aus sonstigen Leistungen bzw. privaten Veräußerungsgeschäften im unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder den folgenden Veranlagungszeiträumen verrechnet werden (§ 22 Nr. 3 Satz 4 EStG bzw. § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG ab 2000). Der BFH habe sich bereits mit der Ve...

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