Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstufung eines Land Rover Geländewagens mit 2,8 t zulässigem Gesamtgewicht als Mehrzweckfahrzeug

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein "Land Rover" mit 2.810 kg zulässigem Gesamtgewicht ist kein Personenkraftwagen im Sinne von § 8 Nr. 1 KraftStG, sondern ein "anderes Fahrzeug" im Sinn von § 8 Nr. 2 KrafStG, das nach dem Wegfall von § 23 Abs. 6a StVZO nach den Vorgaben der EU-Richtlinie 70/156/EWG v. 6.2.1970, Anhang II, C.1. als "AF Mehrzweckfahrzeug" einzustufen ist. Ein solches Fahrzeug wird nicht nach Hubraum, sondern nach Gewicht besteuert.

 

Normenkette

KraftStG § 8 Nr 2; RL 70/156/EWG Anhang II, C 1; KraftStG § 8 Nr 1

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller hält seit Mai 2000 einen Geländewagen vom Typ „Land Rover”. Der Wagen hat einen Ottomotor (Hubraum 4.554 ccm) mit geregeltem Katalysator und einer Leistung von 218 PS/160 kWh bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 2.810 kg. Er hat vier Seitentüren und eine Hecktür sowie fünf Sitzplätze. Im Fahrzeugbrief ist er als „PKW geschlossen” bezeichnet.

Der Antragsgegner (FA) hatte das Fahrzeug zunächst als Lastkraftwagen nach Gewicht besteuert. Mit Änderungsbescheid vom 08.08.2005 stufte er den Wagen ab 01.05.2005 nunmehr als PKW nach § 8 Nr. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) ein und besteuerte ihn dementsprechend nach Hubraum und Schadstoffausstoß. Die Neueinstufung begründete er mit der Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO zum 01.05.2005. Über den hiergegen erhobenen Einspruch ist noch nicht entschieden.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller, den angefochtenen Bescheid von der Vollziehung auszusetzen: Er sei rechtswidrig, da sein Fahrzeug nicht als PKW, sondern als „anderes Fahrzeug” gemäß § 8 Nr. 2 KraftStG anzusehen sei. Für die Klassifizierung von Kraftfahrzeugen verweise das Kraftfahrzeugsteuergesetz in § 2 Abs. 2 Satz 1 auf die verkehrsrechtlichen Vorschriften. Zu den maßgeblichen Vorschriften gehöre auch die EU-Richtlinie 2001/116/EG vom 20.12.2001 in Verbindung mit der Richtlinie 70/156/EWG vom 06.02.1970, welche die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge zum Gegenstand habe. In deren Anhang II würden die Begriffsbestimmungen für Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen vorgenommen. Danach sei das fragliche Fahrzeug – ausweislich des Gliederungspunktes C – als so genanntes „Mehrzweckfahrzeug” der Klasse „M 1 AF” einzuordnen. Ein solches Mehrzweckfahrzeug werde jedoch dann nicht als solches der Klasse „M 1” (Personenkraftwagen) angesehen, wenn es außer dem Fahrersitz nicht mehr als sechs Sitzplätze habe und die Formel P - (M + N × 68) ≫ N × 68 erfülle (P = technisch zulässige Gesamtmasse in kg, M = Masse in fahrbereitem Zustand in kg, N = Zahl der Sitzplätze außer dem Fahrersitz). Diese Voraussetzungen seien im Streitfall gegeben, wie die konkrete Berechnung nach dieser Formel zeige:

2.810,00 kg - (2.100,00 kg + 4 × 68) ≫ 4 X 68

438 ≫ 272

Der „Land Rover” sei mithin, da er nicht in die Klasse „M1” gehöre, verkehrsrechtlich kein Personenkraftwagen und falle somit kraftfahrzeugsteuerrechtlich in die Rubrik „andere Fahrzeuge”. Da die Richtlinie unmittelbare Wirkung entfalte, könne der Wagen folglich nur nach § 8 Nr. 2 KraftStG besteuert werden, also nach Gewicht.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung über Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum vom 01.05.2005 bis zum 05.05.2006 vom 08.08.2005 auszusetzen, soweit die Steuer höher als EUR … festgesetzt ist;

hilfsweise, die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Die Einstufung des fraglichen Fahrzeugs nach den EU-Richtlinien, wie sie der Antragsteller vorgenommen habe, sei für die kraftfahrzeugsteuerliche Einstufung ohne maßgebliche Bedeutung. Es komme kraftfahrzeugsteuerrechtlich auf diese verkehrsrechtliche Einstufung nicht an. Der Bundesfinanzhof habe noch im Urteil vom 08. Februar 2001 VII R 73/00 – unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung – ausdrücklich festgelegt, dass die Einstufung eines Fahrzeugs durch die Verkehrsbehörde hinsichtlich der Fahrzeugart keine Bindungswirkung habe. Vielmehr hätten die Finanzämter eine eigenständige steuerrechtliche Würdigung vorzunehmen. Dieses Prüfungsrecht sei auch nach dem Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO nicht entfallen. Da mit dieser rechtlichen Änderung sowohl die Kraftfahrzeugkategorie „Kombinationsfahrzeug” als auch die Gewichtsgrenze von 2.800 kg aufgegeben worden sei, habe eine neue kraftfahrzeugsteuerrechtliche Würdigung des betroffenen Fahrzeugs vorgenommen werden müssen. Danach handele es sich nach den Vorgaben des BFH um einen PKW, weil es die Merkmale eines PKW aufweise. Die Einstufung als „anderes Fahrzeug” im Sinne von § 8 Nr. 2 KraftStG habe nach dem 01.05.2005 nicht mehr beibehalten werden können.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist begründet.

Nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – kann das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmä...

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