Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen und "Erforderlichkeit" der Spontanauskunft

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine Spontanauskunft nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA in Verbindung mit § 117 Abs. 2 AO ist schon dann "erforderlich", wenn die ernstliche Möglichkeit besteht, dass die USA ein Besteuerungsrecht hinsichtlich des Sachverhalts haben, der den deutschen Finanzbehörden bekannt ist, und ohne die Auskunft von dem Gegenstand dieses Besteuerungsrechts keine "Kenntnis" erlangen.

2) "Kenntnis" in diesem Sinne wird nicht schon allein dadurch herbeigeführt, dass der Betroffene im Vertragsstaat nachträglich Steuererklärungen abgibt, die den Anlass für weitere Ermittlungen enthalten; sondern "Kenntnis" bedeutet die vollständige und präzise Kenntnis der ausländischen Finanzbehörden über den Besteuerungstatbestand. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Satz 1 EG-AHG, der von der Auskunftserteilung zum Zweck "der Steuerfestsetzung" spricht, was ein umfängliches Wissen meint, das zum Erlass eines Steuerbescheids notwendig ist.

 

Normenkette

EG-AHG § 1 Abs. 2 S. 1; AO § 117 Abs. 2; FGO § 114; DBA-USA Art. 26 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 17.09.2007; Aktenzeichen I B 30/07)

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Erteilung einer Spontanauskunft an die US-Finanzbehörden nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen auch dann „erforderlich” ist, wenn das (Weiter)Bestehen eines Steueranspruches in den USA nicht gewiss ist; betroffen sind Zahlungen in Höhe von ca. 2,7 Mio DM, welche die Antragstellerin in den Jahren 1993 bis 2001 auf ein Verrechnungskonto zugunsten von Frau A-B geleistet hat.

1. Die Antragstellerin ist eine Kommanditgesellschaft; Frau A-B ist die 1965 geborene Tochter des Firmengründers HR. A.. Frau A-B war an verschiedenen anderen Gesellschaften beteiligt.

Nachdem – beginnenden mit den 70er-Jahren – diese Beteiligungen veräußert worden waren, sollten die Frau A-B zustehenden Erlöse jeweils unmittelbar als Darlehen in die Antragstellerin eingebracht werden. Das Gesamtdarlehen sollte verzinst und die Zinsen sollten letztlich einem entsprechenden Konto der Frau A-B gutgeschrieben werden. Ob die diesem Vorgang zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse im Hinblick auf die damalige Minderjährigkeit von Frau A-B rechtswirksam sind, ist unklar. Ein wahrscheinlich existierender „Darlehensvertrag” kann allerdings derzeit wegen anderweitiger Ermittlungsmaßnahmen nicht eingesehen werden.

Jedenfalls wurde bei der Antragstellerin zugunsten von Frau A-B ein „Darlehenskonto” geführt, welches so ausgestaltet war, dass der Zufluss der Zinsen durch Gutschriften auf dieses inländische Konto erfolgte sollte. In den streitgegenständlichen Jahren 1993 bis 2001 handelte es sich um folgende Beträge:

Kalenderjahr

Zahlungstag

Zinsbetrag:

Zwischensumme / Gesamtbetrag

1993

31.12.1993

234.955,00 DM

1994

31.12.1994

248.204,00 DM

Zwischensumme 1993-1994:

483.159,00 DM

1995

31.12.1995

269.179,00 DM

1996

31.12.1996

257.813,00 DM

1997

31.12.1997

298.641, 00 DM

1998

31.12.1998

319.391,00 DM

1999

31.12.1999

339.821,00 DM

2000

31.12.2000

360.391,00 DM

2001

31.12.2001

362.773,00 DM

Zwischensumme 1994-2001:

2.208.009,00 DM

Gesamtbetrag:

2.691.168,00 DM

2. Frau A-B hat sich offenbar seit 1989 in den USA aufgehalten. In der Zeit von 1991 bis 1996 lebte Frau A-B in Massachusetts, um dort ihr Studium zu absolvieren. Seit 1995 ist sie mit HR. B verheiratet, womit die Antragstellerin von einer „Ansässigkeit” in den USA ausgeht.

Bis einschließlich 1992 wurden Zinseinkünfte in Deutschland erklärt; ab dem Veranlagungszeitraum 1993 unterblieb die Veranlagung der Zinseinkünfte im Inland.

Hinsichtlich des Besteuerungsrechts der USA ist Frau A-B der Auffassung, dass sie aufgrund eines erteilten „F 1 – Visums” während ihrer Studienzeit eine fünfjährige Steuerbefreiung in den USA nach Sec. 7701 (b) Abs. 5 Internal Revenue Code – „Exempt Individual Defined” in Anspruch nehmen konnte. Eine Steuererklärung für die Jahre 1991 bis 1996 wurde daher in den USA nicht eingereicht (für die Jahre 1995 und 1996 erfolgten freilich später Erklärungen).

Auch die übrigen im Streitzeitraum gutgeschriebenen „Zinseinkünfte” wurden zunächst nicht den US-amerikanischen Steuerbehörden gemeldet.

3. Offensichtlich hatte die Antragstellerin die „Zinszahlungen” an Frau A-B als Betriebsausgaben geltend gemacht, was durch die Finanzverwaltung … im Rahmen eines steuerlichen Ermittlungsverfahrens festgestellt wurde.

Mit Schreiben des Finanzamts X vom 14.04.2003 wurde Frau A-B als Drittbetroffene darüber informiert, dass das Finanzamt beabsichtige, die US-amerikanischen Steuerbehörden im Wege einer Spontanauskunft über ihre in Deutschland „erzielten Zinseinkünfte” zu informieren.

Frau A-B erhob daraufhin Einwendungen gegen die Weiterleitung der Auskunft. Die Antragstellerin schloss sich diesen Einwendungen mit Schreiben vom 04.11.2003 an und machte sich die von Frau A-B vorgetragenen Argumente zu eigen: Frau A-B machte geltend, das „Darlehensverhältnis” sei zivilrechtlich sc...

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