Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren und Bindungswirkung des Beschlusses bei der Kostenfestsetzung
Leitsatz (redaktionell)
1) An einer "Zuziehung" im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO fehlt es, wenn sich ein Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater im Vorverfahren selbst vertreten hat.
2) Ist ein Bevollmächtigter im außergerichtlichen Vorverfahren nicht zugezogen worden, ist ein Beschluss des Gerichts nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO ohne Wirkung und für die vom Urkundsbeamten in eigener Zuständigkeit nach § 149 FGO vorzunehmende Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten ohne Bedeutung.
Normenkette
FGO § 139 Abs. 3 S. 3, §§ 149, 139 Abs. 3
Tatbestand
I. Der Erinnerungsführer klagte im Verfahren 5 K 6375/99 gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Erinnerungsgegners vom … (Drittschuldner: … des AG …) und im Verfahren 5 K 6386/99 gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Erinnerungsgegners ebenfalls vom … (Drittschuldner: … des LG …). Der Erinnerungsführer trat im gerichtlichen Verfahren selbst auf; auch im Vorverfahren gegenüber dem Erinnerungsgegner hatte der Erinnerungsführer selbst vertreten. Für die Einschaltung eines rechtlichen Beistands ergeben sich aus den Vollstreckungsakten keine Anhaltspunkte. Nachdem der Erinnerungsgegner im weiteren Verlauf des Verfahrens die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aufgehoben hatte, erklärten die Beteiligten den jeweiligen Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Mit Beschluss vom … wurden die Kosten des Verfahrens dem Erinnerungsgegner auferlegt; außerdem erklärte der Einzelrichter in dem Beschluss die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig.
In seinem Kostenfestsetzungsantrag beantragte der Erinnerungsführer u.a. den Ansatz einer Gebühr für das Vorverfahren gemäß §§ 119, 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO. Im weiteren Verlauf des Kostenfestsetzungsverfahrens führte er ergänzend aus, auch in „eigener Sache” seien ihm als Rechtsanwalt die im Einspruchsverfahren entstandenen Kosten und Gebühren zu erstatten, auch wenn er sich selbst vertreten habe. Die dem entgegenstehende Rechtsprechung des BFH beruhe auf haltlosen Mutmaßungen. Die Frage, ob des Tatbestandsmerkmal der „Notwendigkeit” in § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllt sei, müsse ausschließlich nach dem Schwierigkeitsgrad der Sache beurteilt werden, unabhängig davon, ob tatsächlich ein Dritter als Bevollmächtigter hinzugezogen worden sei. Darüber hinaus habe er im Vorverfahren einen Beistand hinzugezogen. Da es darauf jedoch nicht ankomme, seien weitere Ausführungen hierzu entbehrlich.
Mit Schreiben vom … führte der Einzelrichter im Verfahren 5 K 6386/99 aus, er halte seine Entscheidung, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, für fehlerhaft, weil sie der Rechtsprechung des BFH widerspreche. Er vertrat allerdings die Auffassung, den Beschluss vom … nicht mehr ändern zu können.
Mit Kostenfestsetzungsbeschlusses vom … wurden die dem Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten auf … EUR festgesetzt. Die Erstattung der Kosten für das außergerichtliche Vorverfahren wurde darin unter Angabe von Rechtsprechung mit der Begründung abgelehnt, dass diese Kosten nicht erstattungsfähig seien, wenn sich der Rechtsanwalt im Vorverfahren selbst vertrete.
Der Erinnerungsführer führt unter Bezugnahme auf seinen bisherigen Vortrag im Kostenfestsetzungsverfahren ergänzend aus, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren sei vom Gericht in der Kostenentscheidung vom … für notwendig erklärt worden. Er habe in seinem Kostenfestsetzungsantrag betreffend das Vorverfahren nur solche Kosten und Gebühren ausgewiesen, die er einem von ihm beauftragten anderen Rechtsanwalt habe erstatten müssen. Bereits deshalb seien die Ausführungen im Kostenfestsetzungsbeschluss hinsichtlich der „eigenen Vertretung” rechtsfehlerhaft.
Entscheidungsgründe
II. Die fristgerechte Erinnerung ist unbegründet.
1. An einer „Zuziehung” im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO fehlt es, wenn sich ein Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater im Vorverfahren selbst vertreten hat (BFH-Beschlüsse vom 21. Juli 1977, IV B 3/73, BFHE 123, 9, BStBl II 1977, 767, vom 10. Februar 1972 V B 33/71, BFHE 104, 306, BStBl II 1972, 355 und vom 29. März 1973 IV B 89/70, BStBl II 1973, 535).
2. Dies gilt auch dann, wenn das Prozessgericht in dem Beschluss, in dem über die Kosten des Hauptsacheverfahrens entschieden wurde, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt hat.
a) Die Entscheidung des Gerichts über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren ist keine Kostenentscheidung, da nicht darüber entschieden wird, für die Kosten zutragen hat, sondern ob sie erstattungsfähig sind. Die Entscheidung ist daher im Kostenfestsetzungsverfahren zu treffen, auch wenn sie nach der gesetzlichen Regelung nicht vom Kostenfestsetzungsbeamten, sondern vom Gericht des ersten Rechtszugs getro...