Leitsatz (amtlich)

Der IV. Senat schließt sich dem Beschluß des V. Senats vom 10. Februar 1972 V B 33/71 (BFHE 104, 306, BStBl II 1972, 355), wonach im Einspruchsverfahren die Kosten eines Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters, der sich selbst vertreten hat, nicht erstattungsfähig sind, auch für den Fall an, daß sich ein Rechtsanwalt im Einspruchsverfahren selbst vertreten hat.

 

Normenkette

FGO § 139 Abs. 3 S. 3; ZPO § 91 Abs. 2 S. 4

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer ist von Beruf Rechtsanwalt. Er führte in eigener Sache einen Rechtsstreit wegen Einkommensteuer 1964. Im Laufe des Klageverfahrens erledigte sich der Rechtsstreit in der Hauptsache. Daraufhin wurden die Kosten des Verfahrens gemäß § 138 Abs. 2 FGO durch rechtskräftigen Beschluß dem FA auferlegt.

Der Beschwerdeführer, der sich im Klageverfahren und im Vorverfahren selbst vertreten hatte, beantragte u. a. die Erstattung der ihm als Rechtsanwalt nach der BRA-GebO in Verbindung mit § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO zustehenden Gebühren und Auslagen, und zwar auch für das Vorverfahren. Er bat zu diesem Zweck, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). Der Antrag wurde vom FG abgelehnt. Das FG vertrat zwar die Ansicht, daß einem Rechtsanwalt für das finanzgerichtliche Vorverfahren auch in eigener Sache Gebühren und Auslagen erstattet werden könnten, gelangte aber zu dem Ergebnis, daß nach dem Schwierigkeitsgrad der Streitsache die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht notwendig gewesen sei.

Mit der Beschwerde wiederholt der Beschwerdeführer seinen Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist im Ergebnis nicht begründet.

In der Entscheidung vom 10. Februar 1972 V B 33/71 (BFHE 104, 306, BStBl II 1972, 355) vertrat der V. Senat des BFH die Auffassung, daß ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, der sich im Einspruchsverfahren selbst vertreten habe, dafür keine Kosten erstattet bekommen könne und deshalb sein Antrag nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO vom FG mit Recht abgelehnt worden sei. Eine gegen diese Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG als offensichtlich unbegründet nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluß vom 9. Juni 1972 1 BvR 176/72, HFR 1972, 441). Zur Begründung führte der V. Senat des BFH aus, nach dem Wortlaut des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO seien Gebühren und Auslagen nur erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für notwendig erklärt habe. Im Wortlaut der Vorschrift komme demnach nicht zum Ausdruck, daß dem Bevollmächtigten, der im Vorverfahren in eigener Sache aufgetreten sei, Kosten erstattet werden könnten. Auch der Sinn der Regelung der Kostenerstattung spreche gegen eine Kostenerstatung des Bevollmächtigten im Vorverfahren, wenn er in eigener Sache aufgetreten sei. Während nämlich im gerichtlichen Verfahren gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten stets erstattungsfähig seien, hänge die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Bevollmächtigten im Vorverfahren davon ab, daß das Gericht die Zuziehung für notwendig erklärt habe. Das Gesetz sehe demnach bei der Regelung der Erstattungsfähigkeit von Kosten der Bevollmächtigten die Zuziehung eines Bevollmächtigten im finanzgerichtlichen Verfahren als selbstverständlich an. Deshalb würden diese Kosten auch ohne weiteres erstattet. Umgekehrt gehe das Gesetz für das Vorverfahren davon aus, daß im Regelfall der Steuerpflichtige seine Sache selbst vertrete. Die Beauftragung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren stelle also eine Ausnahme dar. Es werde darauf abgestellt, ob es dem Steuerpflichtigen mit Rücksicht auf seine persönlichen Verhältnisse oder die Schwierigkeit des Streitfalles zuzumuten sei, im Vorverfahren seine Sache selbst zu vertreten. Es komme daher für die Erstattungsfähigkeit darauf an, daß tatsächlich ein Bevollmächtigter beigezogen worden sei. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Bevollmächtigten im Vorverfahren in eigener Sache lasse sich auch nicht aus § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO in Verbindung mit § 155 FGO rechtfertigen. § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO entspreche dem früheren § 7 BRA-GebO, der durch Art. 10 § 3 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl I 1957, 861) in den § 91 ZPO übernommen worden sei. § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO stelle aber eine Sonderregelung dar, die eng mit der Befugnis des Anwalts zusammenhänge, sich im gerichtlichen Verfahren selbst vertreten zu können. Im Hinblick auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen einem gerichtlichen Verfahren und einem außergerichtlichen Vorverfahren, das von einer Selbstvertretung der Beteiligten ausgehe, lasse sich § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO auch nicht sinngemäß für das Verwaltungsverfahren anwenden.

Der Senat schließt sich dieser Auffassung an, wobei er es als unerheblich ansieht, daß es sich im vorliegenden Fall um keinen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, sondern um einen Rechtsanwalt handelt. Allein der Umstand, daß das Gesetz die Erstattung der Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht ohne weiteres an die Tatsache seines Auftretens knüpft, wie im gerichtlichen Verfahren gemäß § 91 Abs. 2 ZPO, sondern darüber hinaus von der Notwendigkeit der Zuziehung im Einzelfall abhängig macht, rechtfertigt die Verneinung der Erstattungsfähigkeit dieser Kosten des in eigener Sache auftretenden Rechtsanwalts oder Steuerberaters. Denn eine Zuziehung eines Bevollmächtigten kann nur dann notwendig sein, wenn der Steuerpflichtige wegen der Schwierigkeit der streitigen Rechtsprobleme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Rates eines steuer- und rechtskundigen Fachmannes bedarf. Das Gesetz stellt also die Erstattung der Gebühren und Auslagen darauf ab, daß der Steuerpflichtige selbst sachlich nicht in der Lage war, das Vorverfahren selbst zu führen und deshalb sich des Rates eines anderen bedienen mußte, der auf Grund seiner Fachkenntnisse dazu besser befähigt war. Eine solche Notwendigkeit kann aber beim Auftreten eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters in eigener Sache - schon von der Logik her - nicht bejaht werden.

Der Meinung des Hessischen FG im Beschluß vom 17. April 1969 I 495-496/67 (EFG 1969, 311), auf die die Vorentscheidung Bezug nimmt, das Gericht habe die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, wenn es den Streitfall in abstracto für hinreichend schwierig erachte, ohne Rücksicht darauf, ob der Streitfall für den konkreten Steuerpflichtigen schwierig war und ob ein Bevollmächtigter überhaupt zugezogen wurde, kann der Senat nicht zustimmen. Die Erklärung des Gerichts über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist keine abstrakte Entscheidung über die Schwierigkeit der betreffenden Streitfragen, sondern stellt eine auf den konkreten Fall abgestellte Entscheidung dar, die voraussetzt, daß tatsächlich ein Bevollmächtigter aufgetreten ist und seine Zuziehung für den Steuerpflichtigen im konkreten Fall notwendig war.

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 535

BFHE 1973, 574

NJW 1973, 1720

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