Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialhilfeträger bei vollstationärer Unterbringung des Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialhilfeträger bei vollstationärer Unterbringung des behinderten Kindes

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 Nr. 3, § 74

 

Tatbestand

Streitig ist die Kindergeldfestsetzung bzw. die Abzweigung oder Erstattung von Kindergeld für den Sohn der Beigeladenen, M, geboren am ...1969. M ist behindert und aufgrund der Behinderung vollstationär untergebracht. Der Grad der MdE beträgt 100. Die Heimkosten werden aus Mitteln der Sozialhilfe getragen.

Mit dem - nicht angefochtenen - Bescheid vom 16.10.1998 hatte die Beklagte das Kindergeld für M weiterhin ab 01.06.1998 bis zum 31.12.1999 festgesetzt und verfügt, dass das Kindergeld ab 01.06.1998 an das Landessozialamt als Erstattungsberechtigten zu zahlen war. Diesen Bescheid änderte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen mit dem Bescheid vom 22.02.1999 dahingehend ab, dass das Kindergeld für M ab 01.03.1999 auf 0 DM festgesetzt wurde.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 01.03.1999 Einspruch ein. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 24.07.2000 ab, eine Einspruchsentscheidung zu erlassen, da sie die Klägerin für nicht einspruchsberechtigt hielt.

Am 01.09.2000 - Eingang - erhob die Klägerin Klage.

Sie hält die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für rechtswidrig, da M aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten. Aufgrund der vollstationären Unterbringung habe sie die gesamten Unterhaltskosten für M zu leisten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den geänderten Kindergeldfestsetzungsbescheid vom 22.02.1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bezweifelt nicht mehr die Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf fehlende Klagebefugnis und ist im Übrigen der Auffassung, dass eine Kindergeldfestsetzung gegenüber der Beigeladenen in Betracht kommt. Nach ihrer Auffassung sind im Streitfall jedoch nicht die Voraussetzungen für eine laufende Erstattung des Kindergeldes gemäß § 74 Abs. 3 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X gegeben, denn der Sozialhilfeträger habe keine Entscheidung durch Verwaltungsakt über die Heranziehung zu den Kosten getroffen.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 13.02.2002 die kindergeldberechtigte Frau G beigeladen. Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, z. Z. des Erlasses des Kindergeldaufhebungsbescheides keinen Unterhalt für M geleistet zu haben. Anträge hat sie nicht gestellt.

Ein Hefter Verwaltungsvorgänge hat vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Deshalb ist er aufzuheben.

Die Klage ist als Untätigkeitsklage § 46 FGO zulässig. Denn die Beklagte hat ohne zureichenden Grund über den Einspruch der Klägerin vom 01.03.1999 eine Entscheidung unterlassen. Die in ihrem Schreiben vom 24.07.00 geäußerte Rechtsauffassung, sie könne keine Einspruchsentscheidung erlassen, weil die Klägerin nicht einspruchsberechtigt sei, ist zweifach rechtsirrig. Zum einen war die Klägerin einspruchsberechtigt (vgl. zur Klagebefugnis des Sozialleistungsträgers beim Kindergeld BFH-Urteil vom 12.01.2001 VI R 181/97, BFH/NV 2001, 863), zum anderen hätte selbst bei fehlender Einspruchsbefugnis eine Einspruchsentscheidung zwingend ergehen müssen, denn das Einspruchsverfahren wird, wenn der Einspruch nicht zurückgenommen wird, stets durch eine schriftliche Einspruchsentscheidung beendet (§ 366, § 367 AO).

Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid vom 22.02.1999 ist rechtswidrig. In der Sache handelt es sich um eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung, nicht - wie die Beklagte meint - um eine geänderte Kindergeldfestsetzung. Der Regelungsinhalt, das Kindergeld wird auf 0 DM festgesetzt, bewirkt, dass der Berechtigte kein Kindergeld erhält, hebt also die zuvor - mit Bescheid vom 16.10.1998 - ergangene Kindergeldfestsetzung auf.

Die Beigeladene hat Anspruch auf Kindergeld, wie auch von der Beklagten im Zuge des gerichtlichen Verfahrens nicht mehr bezweifelt wird. Die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG sind gegeben, da das Kind M aufgrund seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

Im Streitfall sind auch die Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG zu Gunsten der Klägerin gegeben. Nach dieser Vorschrift kann die Auszahlung des Kindergeldes auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

Unter den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin die Heimkosten für das vollstationär untergebrachte Kind M trägt. Damit stellt die Klägerin den Unterhalt des Kindes sicher. Eine Unterhaltskonkurrenz zwischen der Klägerin und der Beigeladenen besteht nicht, denn die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass sie auf...

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