Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausfuhrerstattung: Korrektur eines gemeinschaftsrechtswidrigen Verwaltungsaktes

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Vorliegen der Voraussetzungen, die der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen vom 13.01.2004 (C-453/00) und 12.02.2008 (C-2/06) aufgestellt hat, ist die Behörde zur Rücknahme der bestandskräftigen gemeinschaftsrechtswidrigen Entscheidung verpflichtet.

 

Normenkette

VwVfG §§ 48, 51

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines bestandskräftigen Bescheides, mit dem das beklagte Hauptzollamt von ihr Ausfuhrerstattung zurückgefordert hatte.

Die Klägerin führte in den Jahren 1990 bis 1992 Schlacht- und Zuchtrinder in verschiedene arabische Staaten und in das ehemalige Jugoslawien aus und erhielt hierfür vom beklagten Hauptzollamt antragsgemäß Ausfuhrerstattungen. Anlässlich einer Marktordnungsprüfung stellte die Betriebsprüfungsstelle Zoll für den Oberfinanzbezirk A fest, dass ein Teil der Tiere auf dem Transportweg oder während der Quarantäne im Bestimmungsdrittland verendet oder notgeschlachtet worden war. Daraufhin forderte das beklagte Hauptzollamt von der Klägerin mit Rückforderungsbescheid vom 10.08.1995 die insoweit gewährte Ausfuhrerstattung in Höhe von DM 360.022,62 zurück. Die von der Klägerin hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht Hamburg mit Urteil vom 16.06.1999 (IV 879/97, juris) unter Hinweis darauf ab, dass die Klägerin den ihr gemäß § 11 MOG obliegenden Beweis, dass die Tiere in ein Drittland eingeführt worden seien, nicht erbracht habe; sowohl bei der einheitlichen als auch bei der differenzierten Erstattung sei nämlich die Zahlung der Ausfuhrerstattung nach Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. a) der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 davon abhängig, dass das Erzeugnis innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung in ein Drittland eingeführt werde. Die von der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 11.05.2000 (VII B 213/99, juris) zurück.

Mit Schreiben vom 16.09.2002 beantragte die Klägerin beim beklagten Hauptzollamt die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Aufhebung des Rückforderungsbescheides vom 10.08.1995. Sie führte zur Begründung aus, dass zwischenzeitlich eine Änderung der Rechtslage eingetreten sei. Der Bundesfinanzhof habe mit Urteil vom 21.03.2002 (VII R 35/01, juris) entschieden, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer nach einem einheitlichen Erstattungssatz für alle Drittländer festgelegten Ausfuhrerstattung erfüllt seien, wenn das betreffende Erzeugnis innerhalb der vorgeschriebenen Frist im Rahmen eines normalen Handelsgeschäftes aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden sei. Weitere Nachweise darüber, dass das Erzeugnis innerhalb von zwölf Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung in ein Drittland eingeführt worden und in unverändertem Zustand auf den Drittlandsmarkt gelangt sei, könnten nach Zahlung der Ausfuhrerstattung nicht mehr verlangt werden.

Diesen Antrag der Klägerin lehnte das beklagte Hauptzollamt mit Bescheid vom 05.11.2002 unter Hinweis darauf ab, dass die im vorliegenden Fall eingetretene Änderung der Rechtsprechung keine Änderung der Rechtslage bedeute, die allein zum Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG rechtfertige. Den gegen diesen Bescheid gerichteten Einspruch der Klägerin wies das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 25.03.2003 zurück.

Mit ihrer am 26.04.2003 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie verweist darauf, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom 13.01.2004 entschieden habe, dass der in Art. 10 EG verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit eine Verwaltungsbehörde auf entsprechenden Antrag hin verpflichte, eine bestandskräftige Entscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmungen Rechnung zu tragen, wenn (1.) die Behörde nach nationalem Recht befugt sei, diese Entscheidung zurückzunehmen, (2.) die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden sei, (3.) das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofs zeige, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhe, die erfolgt sei, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht worden sei, obwohl der Tatbestand des Art. 243 Abs. 3 EG erfüllt gewesen sei, und (4.) der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofs erlangt habe, an die Verwaltungsbehörde gewandt habe. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Insbesondere beruhe der Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 11.05.2000 (VII B 213/99), mit dem ihre Beschwerde gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 16.06.1999 zurückgewiesen worden sei, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften h...

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