Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verfassungsgemäßheit der Tarifvorschrift § 32a EStG; zur steuerfreien Aufwandspauschale von Parlamentariern; zum vorzeitigen Erbausgleich als außergewöhnliche Belastung

 

Leitsatz (amtlich)

§ 32a EStG verstößt nicht gegen die Verfassung.

Keine Beweiserleichterungen für den Nachweis von Betriebsausgaben mit Rücksicht auf die Gewährung steuerfreier Aufwandspauschalen für Parlamentarier.

Der vorzeitige Erbausgleich gem. § 1934e BGB a.F. führt nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung i.S. von § 33 EStG.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3, §§ 32a, 33 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger ziehen die verfassungsrechtliche Legitimation für den Erlass von Steuer- und anderen Eingriffsgesetzen und die Verfassungsgemäßheit von § 32a Einkommensteuergesetz (EStG) in Zweifel; ferner besteht Streit über die Berücksichtigung pauschaler Betriebsausgaben und die Berücksichtigung eines vorzeitigen Erbausgleichs als außergewöhnliche Belastung.

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger bezog in den Streitjahren 1993 bis 1996 u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Syndikus und aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt; die Klägerin erzielte u.a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Englischlehrerin sowie Verluste aus Gewerbebetrieb. Der Kläger ist Vater der 1968 nichtehelich geborenen Tochter A, der er im Streitjahr 1994 im Rahmen eines vorzeitigen Erbausgleichs 43.000 DM zahlte. In diesem Zusammenhang entstanden ihm 13.278 DM Rechtsverfolgungskosten.

Im Streitjahr 1994 berücksichtigte der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid vom 23.04.1997 u.a. die Aufwendungen für den Erbausgleich und die Rechtsverfolgungskosten nicht, weil es sich hierbei nicht um eine außergewöhnliche Belastung handele. Mit Einkommensteuerbescheid 1995 vom 25.01.1999, geändert am 15.09.1999, berücksichtigte der Beklagte die bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit des Klägers pauschal in Höhe von 7.200 DM geltend gemachten Betriebsausgaben lediglich mit 2.000 DM. Der Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 15.09.1999 ließ u.a. die pauschal in Höhe von 18.000 DM geltend gemachten Betriebsausgaben des Klägers bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit nur in Höhe von 1000 DM zu.

Die Kläger erhoben gegen die Einkommensteuerbescheide für 1993 (vom 23.04.1997) bis 1995 fristgerecht Sprungklagen, denen der Beklagte nicht zustimmte, und legten gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 am 15.10.1999 Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidungen vom 02.11.1999 (für 1995) und vom 03.11.1999 (für 1993, 1994 und 1996) wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück (wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidungen Bezug genommen). Hiergegen richten sich die am 06.12.1999 erhobenen Klagen - II 767/99 und II 768/99. Am 09.05.2003 sind aus hier nicht interessierenden Gründen Änderungsbescheide für die Streitjahre ergangen. Die Klagen waren wegen vorgreiflicher Verfahren beim Bundesfinanzhof und Bundesverfassungsgericht ausgesetzt und sind am 04.09.2008 wieder aufgenommen und am 08.06.2009 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden.

Nachdem die Kläger den Streitpunkt "beschränkter Abzug von Vorsorgeaufwendungen" bzw. "Vorwegabzug" fallengelassen haben, verbleiben folgende Streitfragen:

In verfassungsrechtlicher Hinsicht beanstanden die Kläger die fehlende Gesetzgebungskompetenz, weil das Grundgesetz (GG) nach Beitritt der neuen Länder nach Art. 23 GG a.F. außer Kraft getreten und nicht durch eine endgültige Verfassung ersetzt worden sei. Das Deutsche Volk habe sich nach Vollendung der Einheit durch Volksentscheid eine neue Verfassung geben müssen. Davon abgesehen seien die Gesetze materiell verfassungswidrig, weil der Bundestag substantiell nicht seine Gesetzgebungsaufgabe wahrnehme, sondern die Gesetzesvorhaben in Elefantenrunden der Fraktionsspitzen der regierenden Parteien beschlossen und vom Bundestag dann nur noch "abgenickt" würden.

Jedenfalls sei der Einkommensteuertarif des § 32a EStG verfassungswidrig. Dieser Vorschrift fehle nicht nur die verfassungsrechtliche Grundlage, sie verstoße zudem gegen Art. 3 GG. Die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit werde durch § 32a EStG nicht gewährleistet. Bezieher hoher Einkünfte könnten durch Ausnutzung legaler Maßnahmen, wie z. B. Verlustzuweisungsmodelle, ihre effektive Steuerbelastung beliebig absenken. Dies sei selbst im gewerblichen Bereich möglich, soweit ein Unternehmer international tätig sei und Steuern in Niedrigsteuerländern zahle. Würden Bezieher höherer Einkommen stärker zu Steuerleistungen herangezogen, könnte die steuerliche Belastung gerade von Geringverdienern niedriger sein. Zudem hätten die gebotenen zwangsläufigen Einsparungen in der Lebensführung bei Geringverdienern höhere Anfälligkeiten für Krankheiten und eine verkürzte Lebenserwartung zur Folge, so dass auch Art. 2 Abs. 2 GG verletzt sei (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die klägerischen Schriftsätze vom 03.12.1999 und vom 28.02.2009 Bezug genommen).

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