Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung

Die bisher wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG erhobenen Verfassungsbeschwerden sind vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen worden. Aktuell ist eine weitere Verfassungsbeschwerde beim BVerfG anhängig, bei der noch offen ist, ob das BVerfG sie zur Entscheidung annimmt.

Die vom BVerfG bisherige nicht zur Entscheidung angenommenen Verfassungsbeschwerden (2 BvR 180/16, 2 BvR 221/17, 2 BvR 1936/17, 2 BvR 1205/17) wurden damit begründet, dass die Kürzung der Krankheitskosten um die zumutbare Belastung gegen das aus Art. 3 GG herzuleitende Prinzip der Besteurung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstoße.

In diesen Fällen hatte der BFH immer entschieden, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten sei, bei der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von selbst getragenen Krankheitskosten auf den Ansatz der zumutbaren Belastung zu verzichten.

Die aktuelle Verfassungsbeschwerde wegen der zumutbaren Belastung

Im aktuellen Verfahren mit dem Az 2 BvR 1579/22 wird von den Beschwerdeführern die Verfassungswidrigkeit des § 33 Abs. 3 EStG damit begründet, dass bei sog. beihilfefähigen Krankheitskosten Steuerpflichtige ohne Beihilfeanspruch in verfassungswidriger Weise gegenüber beihilfeberechtigten Beschäftigten im öffentlichen Dienst benachteiligt seien.

Hintergrund: Beschluss des BFH

Im Streitfall begehrte der Kläger die Berücksichtigung der Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen ohne Ansatz einer zumutbaren Belastung. Zur Begründung trägt er vor, dass eine Kürzung der von ihm geltend gemachten Krankheitskosten i. H. v. 2.240 EUR um eine zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG nicht zu erfolgen habe, weil eine undifferenzierte Berücksichtigung von beihilfefähigen und nicht beihilfefähigen Krankheitskosten unter Abzug der von § 33 EStG vorgesehenen zumutbaren Belastung gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG verstoße.

Aus diesem Grund seien 70 % von 2.230 EUR (= 1.337 EUR) als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne dass davon eine zumutbare Belastung abgezogen würde. Der Betrag von 1.337 EUR wäre bei Anwendung eines Beihilfebemessungssatzes von 70 % einem Beamten als steuerfreie Beihilfe (§ 3 Nr. 11 EStG) gewährt worden.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat entschieden, dass der Ansatz der zumutbaren Belastung auch bei Krankheitskosten, die bei einem beihilfeberechtigten Arbeitnehmer beihilfefähig wären, von Verfassungs wegen hinzunehmen sei (BFH, Beschluss v. 1.9.2021, VI R 18/19). Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) liege insoweit nicht vor.

BFH: Belastungsentscheidung des Gesetzgebers

Soweit der Kläger vortrage, er stünde hinsichtlich seiner "beihilfefähigen" Aufwendungen bei Anwendung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG schlechter als ein Beamter, weil er sie aus versteuertem Einkommen zu zahlen habe, ergebe sich dies nicht aus einer steuerlichen Belastungsentscheidung des Gesetzgebers. Ein Beamter erhalte aufgrund der beihilferechtlichen Bestimmungen zum Teil höhere Aufwendungen für ärztliche Leistungen erstattet, als einem in der GKV versicherten Steuerpflichtigen für diese Leistungen nach dem Sachleistungsprinzip zustünden.

Trage ein gesetzlich versicherter Steuerpflichtiger bestimmte Aufwendungen - wie im Streitfall für ein Zahnimplantat und eine Sehhilfe - selbst, so sei dies deshalb Folge der Entscheidung des Gesetzgebers hinsichtlich des Umfangs der Sachleistungsverpflichtung der GKV.

BFH: Kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf steuerliche Entlastung

Indem der Kläger geltend mache, die zumutbare Belastung müsse um "beihilfefähge" Aufwendungen herabgesetzt werden, begehre er im Grunde eine zumindest mittelbare Kostenbeteiligung über die Steuer. Es gibt nach Auffassung des BFH im Steuerrecht einschließlich der Regelungen über die außergewöhnlichen Belastungen keinen Grundsatz, der besagt, dass in anderen Rechtsgebieten - wie etwa im Recht der GKV oder der beamtenrechtlichen Beihilfe - getroffene Be- oder Entlastungsentscheidungen steuerrechtlich durch eine entsprechende Entlastung auszugleichen seien.

Auch sei der Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet, die streitigen - vom Kläger selbst getragenen - Krankheitskosten von der Besteuerung freizustellen. Im Übrigen begründe Art. 3 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG im Falle einer Steuervergünstigung für eine Gruppe keinen Anspruch einer anderen Gruppe auf eine vergleichbare steuerliche Entlastung.

Praxis-Tipp: Einspruch einlegen

Da einerseits nur schwer einzuschätzen ist, ob das BVerfG die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung annehmen wird, und andererseits nach Auskunft des BVerfG noch nicht abzusehen ist wann diese Entscheidung getroffen wird, stellt sich die Frage, ob betroffene Steuerpflichtige gegen Steuerbescheide, in denen die geltend gemachten Krankheitskosten um die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG gekürzt als außergewöhnlich Belastung berücksichtigt wurden, Einspruch einlegen sollten.

Der BdSt hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er das zuständige Referat im BMF um Prüfung bitten will, ob die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks in den Steuerbescheiden angeordnet werden kann. Solange dies noch nicht der Fall ist, sollten Betroffene unter Hinweis auf die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1579/22 gegen die betreffenden Steuerbescheide Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.