Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung: Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Erhebung (Einziehung) eines Körperschaftsteueranspruchs, dessen Entstehung allein auf die "zusammengeballte" Erstattung von in den Vorjahren zu Unrecht erhobener Umsatzsteuer zurückzuführen ist, kann sachlich unbillig sein.

 

Normenkette

AO § 227; FGO § 102

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 28.03.2011; Aktenzeichen I B 152/10)

BFH (Beschluss vom 28.03.2011; Aktenzeichen I B 152/10)

 

Tatbestand

Streitig ist der Erlass von Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2005.

Die Klägerin betreibt mehrere Automatenspielhallen. Im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit erwirtschaftete sie in den Jahren bis 2004 fast ausschließlich Verluste. Aus diesem Grund fiel auch keine Körperschaftsteuer an. Der auf den 31.12.2004 festgestellte Verlustvortrag betrug 6.902.714,00 € (s. Tabelle 1):

Entwicklung des Verlustvortrags und des zvE

GdE

Verlustabzug

zvE

Verlustvortrag 31.12.1993

3.223.443

1994

-654.487

654.487

-654.487

1995

331.474

-331.474

0

1996

-171.544

171.544

-171.544

1997

-477.854

477.854

-477.854

1998

-1.181.576

1.181.576

-1.181.576

1999

-1.918.045

1.918.045

-1.918.045

2000

-2.446.263

2.446.263

-2.446.263

2001

-1.550.561

1.550.561

-1.550.561

Zwischensumme DM

11.292.299

Euro

5.773.661

2002

102.105

-102.105

0

2003

-652.194

652.194

-652.194

2004

-578.964

578.964

-578.964

Verlustvortrag 31.12.2004

6.902.714

2005

2.834.319

-2.100.591

733.728

Verlustvortrag 31.12.2005

4.802.122

Entgegen der damals gängigen (Verwaltungs-)Praxis vertrat die Klägerin die Auffassung, dass die von ihr durch den Betrieb der Geldspielautomaten erwirtschafteten Umsätze umsatzsteuerfrei seien. Gleichwohl wurde sie mit diesen Umsätzen von dem Beklagten zur Umsatzsteuer herangezogen. Die Klägerin erhöhte dementsprechend die Automaten-Spieleinsätze, die sie von ihren Kunden verlangte, und führte die als Umsatzsteuer eingeforderten Beträge an den Beklagten ab. Gegen die jeweiligen Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1996 bis 2005 legte sie Rechtsmittel ein.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der Bundesfinanzhofs (BFH) bestätigten mit Urteilen vom 17.02.2005 (C453/02 und C-462/02, ABl. EU 2005, Nr. C 93, 1 = EuZW 2005, 210) bzw. vom 12.05.2005 (V R 7/02, BStBl. II 2005, 617) die Rechtsauffassung der Klägerin. Aus diesem Grund erstattete der Beklagte im Jahr 2005 der Klägerin die in den Vorjahren zu Unrecht als Umsatzsteuer einbehaltenen Beträge in Höhe von insgesamt 2.911.167,00 €.

Für das Streitjahr 2005 führte der außerordentliche Ertrag der Umsatzsteuererstattungen (zzgl. Zinsen i.H.v. 480.803,00 €) bei der Klägerin zu einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte (GdE) in Höhe von 2.834.319,00 €. Unter Anwendung der Verlustabzugsregelung des § 10d Abs. 2 EStG in der damals gültigen Fassung (a.F.) nahm der Beklagte gemäß Körperschaftsteuerbescheid vom 14.09.2007 von dem GdE der Klägerin nur einen eingeschränkten Verlustabzug i.H.v. 2.100.592,00 € (1.000.000,00 € zzgl. 60% von 1.834.319,00 €) vor, sodass ein zu versteuerndes Einkommen (zvE) i.H.v. 733.727,00 € verblieb. Die danach festzusetzende Körperschaftsteuer betrug 183.431,00 € und der Solidaritätszuschlag 10.088,70 €.

Das von der Klägerin gegen die Körperschaftsteuerfestsetzung betriebene Klageverfahren (Az. 6 K 73/08) wurde am 17.06.2009 übereinstimmend für erledigt erklärt. In materiell-rechtlicher Hinsicht wurde die Körperschaftsteuerfestsetzung für 2005 nicht mehr beanstandet.

Bereits mit Schreiben vom 16.10.2007 hatte die Klägerin den Erlass der mit Bescheid vom 14.09.2007 festgesetzten Körperschaftsteuer und des Solidaritätszuschlags für 2005 beantragt. Sie machte geltend, dass es unbillig sei, wenn sie die negativen Folgen der zu Unrecht erhobenen Umsatzsteuern der Jahre 1996 bis 2005 zu tragen hätte. Die Körperschaftsteuerbelastung sei ausschließlich durch die für das Streitjahr geltende Verlustverrechnungsbeschränkung verursacht worden. Hätte sie in den Vorjahren keine Umsatzsteuern entrichten müssen, dann wären die sich danach ergebenden Mehrerträge mit den jährlichen Verlusten ausgeglichen worden, sodass im Ergebnis keine Körperschaftsteuern auf die Mehrerträge angefallen wären (s. Tabelle 2):

Entwicklung des Verlustvortrags und des zvE bei fiktiver Nichtabführung der USt

GdE alt

USt-Erstattung

GdE neu

Verlustabzug

zvE

Verlustvortrag 31.12.1993

3.223.443

1994

-654.487

0

-654.487

654.487

-654.487

1995

331.474

0

331.474

-331.474

0

1996

-171.544

325.487

153.943

-153.943

0

1997

-477.854

414.102

-63.752

63.752

-63.752

1998

-1.181.576

633.006

-548.570

548.570

-548.570

1999

-1.918.045

937.482

-980.563

980.563

-980.563

2000

-2.446.263

983.997

-1.462.266

1.462.266

-1.462.266

2001

-1.550.561

747.432

-803.129

803.129

-803.129

Zwischensumme

4.041.506

7.250.793

Euro

2.066.389

3.707.272

2002

102.105

380.646

482.751

-482.751

0

2003

-652.194

240.272

-411.922

411.922

-411.922

2004

-578.964

223.860

-355.104

355.104

-355.104

Verlustvortrag 31.12.2004

3.991.547

2005

2.834...

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