Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung von Besteuerungsgrundlagen bei nicht ordnungsgemäßer Buchführung - ungeordnete Belegbuchführung - Nichteinhaltung der Aufbewahrungspflichten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Fehlen von geordnet aufzubewahrenden Belegen ist eine Buchführung nicht ordnungsgemäß. Da zu jeder Buchung ein Beleg vorhanden sein muss, ist der Begriff des Belegs funktional zu verstehen. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung anhand von Belegen verfolgen lassen.

2. Weisen Tagesendsummenbons (sog. Z-Bons) keine Stornobuchungen aus, lässt sich nicht mehr feststellen, ob lediglich Fehlbuchungen oder auch Einnahmebuchungen an sich gelöscht wurden. Die erforderliche Vollständigkeit der Buchungen ist infolge dieser Veränderungen nicht gewährleistet.

3. Die Aufbewahrungspflicht des Steuerpflichtigen von Unterlagen und Daten, die zum Verständnis und zur Überprüfung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen von Bedeutung sind, umfasst neben Unterlagen in Papierform auch alle Unterlagen in Form von Daten, Datensätzen und elektronischen Dokumenten, die dokumentieren, dass die Ordnungsvorschriften umgesetzt und deren Einhaltung überwacht wurde.

4. Aufzubewahren sind insbesondere die elektronische Journaldatei, in der jede neue Buchung an das Dateiende angefügt wird und Änderungen oder Löschungen nicht möglich sind. Gleiches gilt für Programmierprotokolle, die nachträgliche Änderungen dokumentieren.

5. Bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen dem Grunde nach kann zur Durchführung der Schätzung die Methode der Quantilschätzung angewandt werden, bei der Prozentränge - sog. Quantile -, die in der beschreibenden Statistik zur Einteilung einer Datenmenge in den Standardbereich, in schwache und in starke Ausreißer verwendet werden, bestimmt werden.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1 S. 1; AO §§ 140-148, 158, 162; HGB §§ 238 ff

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Hinzuschätzungen von Gewinnen und Umsätzen aufgrund einer Betriebsprüfung für den Gaststättenbetrieb der Antragstellerin betreffend die Streitjahre 2011 bis 2013.

Die Antragstellerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom ... 2011 gegründet. Unternehmensgegenstand ist der Betrieb einer Gaststätte für südländische Speisen. Alleiniger Gesellschafter ist Herr A. Die Eröffnungsbilanz wurde auf den 24.03.2011 erstellt. Mit Vertrag vom ... 2011 wurde A zum Geschäftsführer bestellt.

Seit dem ... 2011 betreibt die Antragstellerin die Gaststätte als türkisches Restaurant unter dem Namen " XXX" in ..., X-Straße ... Herr B, der Onkel von A, hatte das Restaurant bereits seit mindestens 2008 geführt und war nach Gründung der Antragstellerin mit Vertrag vom ... 2011 als Geschäftsleiter angestellt. Das Restaurant verfügt über ca. 80 Sitzplätze. Neben Beilagen werden ca. 40 Gerichte auf der Speisekarte angeboten. Die Antragstellerin verwendete zur Aufzeichnung der Tageseinnahmen eine elektronische Registrierkasse (Casio QT 6000).

Die Antragstellerin reichte für 2011 am 19.03.2013, für 2012 am 07.04.2014 und für 2013 am 24.02.2015 die jeweiligen Steuererklärungen ein. Der Antragsgegner veranlagte die Antragstellerin zunächst erklärungsgemäß.

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 09.03.2015 für den Zeitraum 2011 bis 2013 fand in der Zeit vom 07.04.2015 bis 26.02.2016 eine Betriebsprüfung statt, die mit geändertem Bericht über die Außenprüfung vom 07.04.2016 abgeschlossen wurde.

1. Der Außenprüfer stellte fest, dass A und B im Restaurant unentgeltlich essen und trinken konnten, während andere Angestellte der Antragstellerin lediglich Wasser und Tee erhielten. Der Außenprüfer legte Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) entsprechend der Richtsatzsammlungen des Bundesministeriums der Finanzen für die Kalenderjahre 2011 bis 2013 - für 2011 zeitanteilig für 9 Monate - in folgender Höhe zu Grunde:

Warenentnahmen

2011: 5.341 €

2012: 7.442 €

2013: 7.235 €

2. Des Weiteren stellte der Prüfer fest, dass die Antragstellerin für mehrere Tage keine Betriebseinnahmen in der Buchhaltung erfasst hatte, obwohl in den Listen der Tagesumsätze Beträge notiert waren; zum Teil befanden sich auch Z-Bons bei den Belegen. Tageseinnahmen waren in folgender Höhe nicht erfasst worden:

Hinzuschätzung fehlender Tageseinnahmen

2011: 4.005 €

2012: 3.397 €

3. Die Antragstellerin legte dem Außenprüfer Z-Bons vor, die keine Stornobuchungen auswiesen. Journaldaten und Programmierprotokolle zur elektronischen Registrierkasse QT 6000 von Casio wurden dem Prüfer nicht zur Verfügung gestellt. Auch führte die Antragstellerin kein Kassenbuch. Die Tageseinnahmen der Z-Bons wurden lediglich in einer Liste summiert. Tägliche Kassenanfangs- und -endbestände wurden nicht aufgezeichnet. Da dem Prüfer von der Antragstellerin erklärt worden war, dass ein Abgleich zwischen Soll und Ist in der Kasse nicht durchgeführt worden sei, wertete dieser die Kasse als nicht kassensturzfähig.

In ihren Bilanzen zum 31.12.2011 bis 31.12.2013 aktivierte die An...

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