Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung. Mängel der Kassenbuchführung. Quantilsschätzung als zulässige Schätzungsmethode. Hinzuschätzungen bei einer Kapitalgesellschaft als vGA an die Anteilseigner

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Umstand, dass bei Registrierkassen nicht alle Stornierungsarten in den Tagesendsummenbons ausgewiesen werden, stellt einen erheblichen Mangel der Buchführung dar.

2. Bei der Nutzung programmierbarer elektronischer Kassensysteme stellt das Fehlen der Programmierprotokolle einen gewichtigen formellen Mangel dar, der jedenfalls bei bargeldintensiven Betrieben zu Hinzuschätzungen berechtigt.

3. Hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, so steht die Methodenwahl in ihrem pflichtgemäßen Ermessen; einen Anspruch auf Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode hat der Steuerpflichtige nicht.

4. Bei der Quantilsschätzung handelt es sich um eine zulässige Schätzungsmethode.

5. Erhöht das FA die Betriebseinnahmen einer Kapitalgesellschaft durch Hinzuschätzung, sind die hinzugeschätzten Beträge als Zuwendungen an den oder die Gesellschafter zu beurteilen, wenn die Kalkulationsdifferenzen auf nicht vollständig erklärten Betriebseinnahmen der Kapitalgesellschaft beruhen und die nicht erklärten Betriebseinnahmen nicht betrieblich verwendet worden, sondern einem oder allen Gesellschaftern zugeflossen sind. Insoweit liegen verdeckte Gewinnausschüttungen vor.

 

Normenkette

AO §§ 158, 162 Abs. 2 S. 2, § 145 Abs. 1, § 147 Abs. 1 Nr. 1; KStG § 8 Abs. 3 S. 2; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1

 

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin ist eine im Jahr 2009 gegründete UG. Alleingesellschafterin der Antragstellerin ist Frau B.; Geschäftsführer ist Herr C.. Der Unternehmensgegenstand der Antragstellerin besteht in dem Betrieb des Restaurants E….

Seit dem 1. November 2011 ist die D. GmbH umsatzsteuerliche Organgesellschaft der Antragstellerin. Der Unternehmensgegenstand der D. GmbH besteht in dem Betrieb des Restaurants D. .

Im Restaurant E. wird eine Registrierkasse vom Typ Quorion QMP 3286, im Restaurant D. eine solche vom Typ Schultes S 560 verwendet.

Für die Zeiträume 1. Januar bis 31. Mai 2010 sowie 1. Januar bis 30. Juni 2012 fanden bei der Antragstellerin Umsatzsteuer-Sonderprüfungen statt. In der Folge wurden für 2010 10.000,00 Euro sowie für 2012 20 % der Umsätze (Umsätze zu 19 % 58.557,46 Euro und Umsätze zu 7 % 624,91 Euro) hinzugeschätzt. Grund für die Hinzuschätzungen waren Mängel der Kassenführung. Im Einzelnen stellte der Antragsgegner folgendes fest:

  • Die Z-Bons des Restaurants E. wiesen lediglich Bediener 5 aus. Einzelne Bons wiesen allerdings Bediener 2 aus. Die Antragstellerin habe nicht nachgewiesen, dass diese letztgenannten Bons in den Z-Bons enthalten waren.
  • Ein Z-Bon im Restaurant E. enthielt keine laufende Nummer; in der Nummerierung war keine Lücke zwischen dem 25. und dem 27. Oktober 2010 zu verzeichnen.
  • Die Monatsberichte des Restaurants E. für Februar und März 2010 sowie für März 2012 entsprachen nicht der Summe der Z-Bons für diese Monate.
  • Verschiedene Tagesberichte des Jahres 2012 des Restaurant E… fehlten und wurden nicht gebucht; die Tagesberichte vom 3. Februar, 2. März, 31. März, 22. April und 5. Juni 2012 hatten keine Nummer.

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 12. August 2015 wurde bei der Antragstellerin eine Außenprüfung für die Jahre 2010 bis 2012 durchgeführt. Der Antragsgegner kam danach zu dem Ergebnis, dass die Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen für die Antragstellerin für das Jahr 2010 um 30.600,00 Euro, für das Jahr 2011 um 25.000,00 Euro und für das Jahr 2012 um 46.000,00 Euro zu erhöhen waren.

Die Berechtigung zur Hinzuschätzung ergab sich für den Antragsgegner aus dem Umstand, dass keine Unterlagen über die Erstprogrammierung und eventuelle Änderungen der Programmierung der eingesetzten Registrierkassen vorgelegt worden waren und dass in beiden Registrierkassen nicht alle Stornierungsarten in den Tagesendsummenbons ausgewiesen wurden. Bei der Schätzung ging der Antragsgegner von einem 80 %-Quantil-Rohgewinnaufschlagsatz aus.

Der Antragsgegner berücksichtigte die hinzugeschätzten Beträge (für 2010 brutto 36.414,00 Euro, für 2011 brutto 29.750,00 Euro und für 2012 brutto 54.740,00 Euro) als verdeckte Gewinnausschüttungen.

Die entsprechenden geänderten Bescheide erließ der Antragsgegner für 2010 am 30. Mai 2016, für 2011 am 7. Juni 2016 und für 2012 am 10. Juni 2016. Dagegen legte die Antragstellerin für 2010 am 4. Juli 2016, für 2011 am 11. Juli 2016 und für 2012 am 13. Juli 2016 Einsprüche ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung. Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner für 2010 am 5. Juli 2016, für 2011 am 13. Juli 2016 und für 2012 am 14. Juli 2016 ab. Gegen die Ablehnungsbescheide legte die Antragstellerin Einspruch ein.

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