Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer: Keine Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Verlustabzugsverbotes gemäß § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG.

2. Ein AdV-Antrag, der mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer Norm begründet wird, bedarf wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich eines (besonderen) berechtigten Interesses des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, das gegen die Auswirkungen einer AdV hinsichtlich des Gesetzesvollzuges und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung abzuwägen ist.

 

Normenkette

KStG § 8c Abs. 1 Sätze 1-2; FGO § 69 Abs. 3

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache die Verfassungsmäßigkeit des Verlustabzugsverbotes gemäß § 8c Abs. 1 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) streitig.

Die Antragstellerin ist eine Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital in Höhe von € ..., das in ... auf den Inhaber lautende Stückaktien aufgeteilt ist. Sie ist vermögensverwaltend und als Holdinggesellschaft tätig.

Mit Vertrag vom ... 2008 verkauften mehrere Aktionäre der Antragstellerin insgesamt ... Stückaktien (99,94 % des Grundkapitals) an die A GmbH (Akte Allgemeines Bl. 112 ff.). Die Abtretung war aufschiebend bedingt durch die Zahlung des Kaufpreises, der am 02.01.2009 fällig war. Im Wege eines sog. Squeeze-out gemäß § 327a Aktiengesetz (AktG) übernahm die A GmbH am ... 2009 auch alle restlichen Aktien der verbliebenen Minderheitsaktionäre.

Zum 31.12.2008 war der verbleibende Verlustvortrag der Antragstellerin zur Körperschaftsteuer auf € ... festgestellt worden. Die Antragstellerin reichte am ... 2010 beim Antragsgegner die Körperschaftsteuererklärung für 2009 ein und erklärte hierin einen Verlust in Höhe von € .... Mit Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2009 vom ... 2011 stellte der Antragsgegner den verbleibenden Verlustvortrag auf € ... fest und berücksichtigte den zum Ende des Vorjahres festgestellten Vortrag unter Berufung auf § 8c KStG nicht.

Am ... 2012 reichte die Antragstellerin die Körperschaft- und die Gewerbesteuererklärung für 2010 beim Antragsgegner ein. Nach dem ebenfalls eingereichten Jahresabschluss auf den 31.12.2010 verfügte die Antragstellerin über ein Eigenkapital in Höhe von € ... und einen Kassenbestand in Höhe von € ....

Mit Bescheid vom ... 2012 setzte der Antragsgegner die Körperschaftsteuer für 2010 auf € ... fest (Gesamtbetrag der Einkünfte: € ...) sowie eine nachträgliche Körperschaftsteuer-Vorauszahlung für 2011 in Höhe von € ... und Vorauszahlungen für 2012 in Höhe von € ... pro Quartal.

Bereits mit Schreiben vom ... 2011 hatte die Antragstellerin gegen den Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2009 unter Berufung auf die Verfassungswidrigkeit des § 8c KStG Einspruch eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Bescheides beantragt.

Der Antragsgegner lehnte den AdV-Antrag mit Bescheid vom ... 2012 ab.

Die Antragstellerin hat daraufhin am ... 2012 bei Gericht die AdV des Verlustfeststellungsbescheides für 2009 beantragt. Sie nimmt zur Begründung auf den Vorlagebeschluss des 2. Senats des FG Hamburg vom 04.04.2011 (2 K 33/10, EFG 2011, 1460) Bezug. Danach verletze die Vorschrift des § 8c Satz 1 KStG das objektive Nettoprinzip.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des Bescheides vom ... 2011 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2009 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner trägt vor, dass zwar Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 8c KStG bestünden. Allerdings beziehe sich der Vorlagebeschluss des FG Hamburg auf § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG, während im Streitfall Satz 2 der Vorschrift einschlägig sei. Vor allem aber sehe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) regelmäßig davon ab, ein Steuergesetz für nichtig zu erklären, weil ansonsten eine verlässliche Finanz- und Haushaltsplanung gefährdet oder ein gleichmäßiger Verwaltungsvollzug nicht möglich sei. Damit berücksichtige das BVerfG in ständiger Rechtsprechung die administrativen und fiskalischen Auswirkungen seiner Entscheidungen.

Dem Gericht haben Band IV der Akten Allgemeines, jeweils Band III der Körperschaftsteuer- und der Gewerbesteuerakten, ein Band Bilanz- und Bilanzberichtsakten und Band I der Rechtsbehelfsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt. Danach ist ein gerichtlicher Aussetzungsantrag grundsätzlich nur zulässig, wenn die Behörde zuvor einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dies ist durch den Bescheid vom ... 2012 geschehen.

2. Der Antrag hat i...

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