Entscheidungsstichwort (Thema)

Tantiemeforderung unter Bildung einer Rückstellung als verdeckte Gewinnausschüttung

 

Leitsatz (amtlich)

Das schlichte "Stehenlassen" einer Tantiemeforderung unter Bildung einer Rückstellung führt zu verdeckter Gewinnausschüttung, sofern nicht wirksam eine Stundung oder Umwandlung in eine Darlehensforderung erfolgt.

 

Normenkette

AO § 191; EStG § 8 Abs. 3; KStG § 8 Abs. 3 S. 2

 

Tatbestand

I. Streitig ist, ob ein Tantiemeanspruch der Lohnsteuer zu unterwerfen ist.

Die Antragstellerin (Astin) ist 1995 gegründet worden und betätigt sich auf dem Gebiet der Softwareberatung. Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer ist Herr A. Nach dem Anstellungsvertrag hat er einen Anspruch auf Tantieme, Bemessungsgrundlage ist der Jahresüberschuss vor Abzug der Steuern. Die zugesagte Tantieme wurde nur in den Jahren 1995 und 1996 ausgezahlt. In den Folgejahren 1998, 2000 und 2001 erwirtschaftete die Astin zwar Gewinne, sie zahlte die Tantieme jedoch nicht aus und bildete statt dessen eine Rückstellung in Höhe des Tantiemeanspruchs. Eine Lohnversteuerung erfolgte nicht. Ausweislich des Berichts über die Lohnsteuersonderprüfung vom 13.03.2000 betrug die in 1999 zu versteuernde Tantieme für 1998 (gemäß Bilanzaufstellung vom 21.07.1999) 27.200 DM, die in 2001 zu versteuernde Tantieme für 2000 (gemäß Bilanzerstellung vom 10.05.2001) 297.450 DM und die in 2002 zu versteuernde Tantieme für 2001 (gemäß Bilanzerstellung vom 11.08.2002) 166.514 DM.

Am 18.03.2003 erließ der Antragsgegner (Ag) einen Haftungsbescheid, mit dem die Astin für Lohnsteuer auf die Tantieme für die Jahre 1999 bis 2002 in Höhe von insgesamt 127.876,80 Euro in Anspruch genommen wurde. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 14.04.2003, mit dem die Astin geltend macht, dass die Tantiemen nicht zugeflossen seien und daher keine Lohnsteuer habe einbehalten werden müssen. Die Auszahlung sei nicht möglich gewesen, weil es an der erforderlichen Liquidität gefehlt habe. Aus diesem Grunde seien auch keinerlei Gewinnausschüttungen beschlossen worden. Im fraglichen Zeitraum seien die Umsatzerlöse um das 20fache gestiegen und eine Fremdfinanzierung nicht in nennenswerten Umfang zu erlangen gewesen. Daher habe sie, die Astin, auf eine Binnenfinanzierung umstellen müssen. Zur Vermeidung einer Überschuldung sei es im Rahmen des Jahresabschlusses 2002 auch erforderlich geworden, die Tantiemerückstellungen in Höhe von 611.554 DM ertragswirksam aufzulösen. Über den Einspruch ist gegenwärtig noch nicht entschieden.

Den mit dem Einspruch gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der Ag mit Bescheid vom 29.04.2003 für 1999 und 2001 abgelehnt und lediglich Aussetzung der Vollziehung für 2002 gewährt, weil in diesem Veranlagungszeitraum streitig ist, ob die Tantieme als vGA zu behandeln ist.

Am 20.05.2003 hat die Astin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht gestellt.

Die Astin wiederholt ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und weist ergänzend darauf hin, dass auch der Wirtschaftsprüfer im Jahresabschluss zum 31.12.1999 darauf hingewiesen habe, dass die Liquiditätslage angespannt sei und die Gesellschaft der Zuführung langfristiger Mittel bedürfe. Auch dies belege, dass eine Überschuldung nur durch die Nichtauszahlung der Tantieme habe vermieden werden können.

Die Astin beantragt, den Haftungsbescheid vom 18.03.2003 von der Vollziehung auszusetzen.

Der Ag beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Bei einem beherrschenden Gesellschafter sei regelmäßig davon auszugehen, dass der geschuldete Betrag im Zeitpunkt der Fälligkeit zufließe. Die Tantieme gelte danach mit der Feststellung des Jahresabschlusses beim Geschäftsführer als zugeflossen. Anders sei es nur, wenn die Gesellschaft illiquide sei. Vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten begründeten allerdings keine Ausnahme für den Zeitpunkt des Zuflusses.

Illiquidität sei gegeben, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig sei. Dies sei nach konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. Die Astin sei in diesem Sinne nicht illiquide gewesen; sie erfülle bis heute weitestgehend ihre Verpflichtungen.

Der Ag ist im Übrigen der Auffassung, dass sich die Astin kapitalschonender verhalten hätte, wenn sie nicht nur von der Auszahlung der Tantieme abgesehen, sondern auf den Anspruch selbst verzichtet hätte.

Die die Astin betreffende Arbeitgeberakte mit Lohnakte zur Steuernummer ... hat vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

II. Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg. Der angegriffene Lohnsteuerhaftungsbescheid ist bis zur Entscheidung in der Hauptsache von der Vollziehung auszusetzen.

Aussetzung der Vollziehung erfordert gemäß § 69 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes. Ernstliche Zweifel bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen...

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