Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit des Finanzrechtswegs bei Antrag auf Akteneinsicht durch den Insolvenzverwalter

 

Leitsatz (amtlich)

Der Streit zwischen Insolvenzverwalter und Finanzamt über die Gewährung von Akteneinsicht in die bei dem Beklagten geführten Vollstreckungsakten der Insolvenzschuldnerin ist eine Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 FGO.

 

Normenkette

FGO § 33; HmbIFG § 3 Abs. 2 Nr. 5

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 10.02.2011; Aktenzeichen VII B 183/10)

BFH (Beschluss vom 10.02.2011; Aktenzeichen VII B 183/10)

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Akteneinsicht.

Der Kläger ist Rechtsanwalt.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom ... 2008 (Az.: ...) wurde über das Vermögen der Firma A & Partner GmbH, nunmehr firmierend als B KG (Insolvenzschuldnerin), das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Beklagte war für die Steuerveranlagung der Insolvenzschuldnerin zuständig. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens meldete er Forderungen zur Tabelle an.

Mit Schreiben vom 23.05.2008 bat der Kläger unter Hinweis auf eine ihm gestattete Akteneinsichtnahme und unter Berufung auf einen Vermerk des Beklagten über den Stand der Vollstreckung gegen die Insolvenzschuldnerin vom 03.09.1998 um weitere Informationen darüber, ob Pfändungsmaßnahmen des Beklagten in den Jahren 1997 und 1998 erfolgreich gewesen seien. Des Weiteren bat er um Übermittlung einer mit der Insolvenzschuldnerin getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung, um Auskunft über die Zahlung eines Abschlags sowie um Zuleitung der Kopie einer Abtretungserklärung.

Mit Schreiben vom 01.07.2008 verwies der Beklagte darauf, dass er als möglicher Anfechtungsgegner von seinem Recht gebrauch mache, "in dieser Sache keine weiteren Auskünfte zu erteilen".

Der Kläger beantragte daraufhin mit Schreiben an den Beklagten vom 06.10.2008 Einsicht "insbesondere in die bei Ihnen geführten Vollstreckungsakten" der Insolvenzschuldnerin und berief sich dabei auf das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz (HmbIFG) vom 11.04.2006 i. V. m. dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen (IFG) vom 05.09.2005. Nach Maßgabe von § 1 IFG bestehe für ihn in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin ein Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.

Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 10.10.2008 ab. Den dagegen gerichteten Einspruch des Klägers vom 11.11.2008 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12.03.2009 als unbegründet zurück. Unter Bezugnahme auf zwei Schreiben vom 10.10.2008 und vom 25.02.2009 führte der Beklagte im Wesentlichen aus: Das Auskunftsersuchen des Klägers betreffe Aspekte des Besteuerungsverfahrens. Für dieses Verfahren normiere § 30 AO den allgemeinen Grundsatz des Steuergeheimnisses als Konkretisierung der Schutzgarantie des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die Regelungen der Abgabenordnung (AO) verdrängten als speziellere Regelungen die Anwendung anderer landes- und bundesgesetzlicher Normen wie § 1 Abs. 1 HmbIFG i. V. m. § 1 Abs. 1 IFG; zudem bestimme § 3 Nr. 7 i. V. m. § 5 Abs. 1 IFG, dass bei vertraulich erhobenen oder übermittelten Informationen ein Anspruch auf Informationszugang nicht gegeben sei, soweit das Interesse des Betroffenen an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags noch fortbestehe. In der AO sei bewusst kein Anspruch auf Akteneinsicht vorgesehen. Es stehe dem Kläger lediglich unter Berücksichtigung der Gewährung rechtlichen Gehörs ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Akteneinsicht zu. Diese Ermessensentscheidung habe zutreffend zu einer Verweigerung der Akteneinsicht geführt, da sich der Kläger die begehrten Auskünfte in zumutbarer Weise über die Insolvenzschuldnerin hätte beschaffen können.

Der Kläger hat am 27.03.2009 Klage erhoben. Er macht unter anderem geltend, dass der Finanzrechtsweg nicht eröffnet und der Rechtsstreit daher an das Verwaltungsgericht zu verweisen sei.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten.

II.

Der Finanzrechtsweg ist eröffnet.

Da der Kläger die Zulässigkeit des Finanzrechtswegs gerügt hat, war hierüber gemäß § 155 FGO i. V. m. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab im Beschlusswege zu entscheiden.

Der Streit über die Gewährung von Akteneinsicht in die bei dem Beklagten geführten Vollstreckungsakten der Insolvenzschuldnerin ist eine Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 1 FGO.

Der Begriff "Abgabenangelegenheiten" umfasst gem. § 33 Abs. 2 FGO alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten. Dazu gehört auch die Einsichtnahme in Steuerakten (so auch FG Saarland, Urteil vom 17.12.2009 - 1 K 1598/08, EFG 2010, 616; FG Münster, Urteil vom 05.11.2002 - 1 K 7155/00 S, EFG 2003, 499; im Ergebnis ebenso: FG Düsseldorf, Urteil vom 14.05.2008 - 4 K 242/07 AO, ZIP 2009, 732; FG Münster, Urt...

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