Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Ausländers auf Kindergeld nach § 62 Abs. 2 des EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG i. d. F. vom 13.12.2006 macht die Gewährung des Kindergeldes an nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer davon abhängig, dass der Betroffene die Aufenthaltserlaubnis tatsächlich besitzt.
  2. Der bloße Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begründet noch keinen Kindergeldanspruch. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
  3. Aus der Rechtsnatur der dem Ausländer erteilten Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, ausweislich der sein Aufenthalt bis zur Entscheidung über den gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als erlaubt gilt, lässt sich kein anderes Ergebnis ableiten.
 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 2 Nr. 2; AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 81 Abs. 3 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2006

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Kindergeld für den Zeitraum Mai bis November 2006.

Die Klägerin ist brasilianische Staatsangehörige. Sie reiste erstmalig am 10.12.2003 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach Überschreiten einer dreimonatigen Aufenthaltsdauer reiste die Klägerin auf entsprechende Aufforderung der Ausländerbehörde der Stadt „W-Stadt” am 26.03.2004 wieder aus.

Nachdem die Klägerin am 29.07.2005 erneut in das Gebiet der Bundesrepublik eingereist war, beantragte sie am 18.10.2005 eine Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen. Gleichzeitig legte sie eine ärztliche Schwangerschaftsbescheinigung vom 29.09.2005 sowie eine Verpflichtungserklärung des späteren Kindesvaters, Herrn „H” , vom 19.10.2005 über dessen Verpflichtung, für die Kosten ihres Lebensunterhaltes und einer etwaigen Ausreise aufzukommen, vor. Am 01.09.2005 meldete die Klägerin ihren Wohnsitz unter der Anschrift des Kindesvaters an.

Am 19.10.2005 stellte der Landrat des „S"-Kreises der Klägerin eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthaltsgesetzAufenthG – aus. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit war ihr hierdurch nicht gestattet.

Am 03.01.2006 teilte der Kindesvater dem Ausländeramt des „S"-Kreises mit, dass die Klägerin am 04.12.2005 wieder aus seinem Haushalt ausgezogen und zu ihrer Schwester in „W-Stadt” zurückgekehrt sei. Die behördliche Ummeldung erfolgte zum 20.01.2006.

Die Fiktionsbescheinigung wurde in der Folgezeit mehrfach verlängert, und zwar am 24.01.2006 bis zum 23.04.2006, am 27.04.2006 bis zum 23.07.2006 und am 18.07.2006 bis zum 23.10.2006.

Am 08.05.2006 wurde die Tochter der Klägerin, „B”, geboren. Am 24.11.2006 erkannte Herr „H” die Vaterschaft des Kindes an. Die Klägerin stimmte der Anerkennung der Vaterschaft zu.

Am 14.12.2006 erteilte die Stadt „W-Stadt” eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des AufenthG (gültig bis 13.12.2007).

Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin Kindergeld ab Dezember 2006.

Den am 04.04.2007 gestellten Antrag der Klägerin auf Bewilligung des Kindergeldes auch für den Zeitraum Januar bis November 2006 lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 20.04.2007 ab.

Den hiergegen eingelegten Einspruch der Klägerin vom 16.05.2007 wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 22.08.2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie darauf, dass ein Anspruch eines Ausländers auf Kindergeld nach § 62 Abs. 2 des EinkommensteuergesetzesEStG – nur ab dem Zeitpunkt bestehe, ab dem dieser im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei. Dieses Erfordernis sei im vorliegenden Fall erst ab dem Monat Dezember 2006 erfüllt gewesen. Auf die Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG könne insoweit nicht abgestellt werden.

Die Klägerin hat am 24.09.2007 Klage erhoben.

Sie trägt vor:

Sie habe ab dem Zeitpunkt der Geburt ihrer Tochter am 08.05.2006 einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gehabt, da der Kindesvater die deutsche Staatsangehörigkeit besitze und daher ihre Tochter ebenfalls deutsche Staatsbürgerin sei. Auf das Datum der Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis könne es nicht ankommen. Ansonsten hätte es die Ausländerbehörde in der Hand, durch eine verzögerte Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis auch die Kindergeldansprüche zu verkürzen.

Die Klägerin beantragt nach Rücknahme der Klage für die Monate Januar bis April 2006 sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 20.04.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.08.2007 zu verpflichten, ihr Kindergeld für ihre Tochter „B” für den Zeitraum Mai bis November 2006 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt sie vor: Der Gesetzeswortlaut des § 62 Abs. 2 EStG sei eindeutig. Die Vorschrift knüpfe zur Beurteilung der Kindergeldgewährung bei einem nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländer an den Aufenthaltstitel an, den der Ausländer besitze, d.h. tatsächlich in den Händen halte. Eine Ausnahme gelte lediglich...

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