Entscheidungsstichwort (Thema)

Tatbestandswirkung ausländerrechtlicher Verwaltungsakte für das Kindergeldrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG berechtigt nicht zum Kindergeldbezug, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG vorliegen.
  2. Das ausdrückliche Zubilligen des Aufenthaltsrechts durch Verwaltungsakt ist Voraussetzung für den Kindergeldanspruch (Tatbestandswirkung ausländerrechtlicher Verwaltungsakte).
  3. Ein ggf. bestehender Anspruch auf einen „besseren” Aufenthaltstitel kann der Entscheidung der Familienkasse nicht zugrunde gelegt werden.
  4. Bei einem Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts kann die Versagung des Kindergelds nicht zu einer Grundrechtsverletzung führen, da eine andere Entscheidung nur einen internen Zahlungsausgleich zwischen verschiedenen Behörden auslösen würde und nach dem AufenthG auch für die zukunftsgerichtete Prognoseentscheidung der Ausländerbehörde über die Erteilung eines besseren Aufenthaltstitels unerheblich ist.
 

Normenkette

EStG i.d.F. d. AuslAnsprG § 52 Abs. 61a S. 2; EStG i.d.F. d. AuslAnsprG § 62 Abs. 2; EStG i.d.F. d. AuslAnsprG § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. B; EStG a.F. § 62 Abs. 2; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 25 Abs. 5, § 28 Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2005, 2006

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.04.2010; Aktenzeichen III R 1/08)

 

Tatbestand

Im November 2000 reiste die damals 18-jährige Klägerin, eine jugoslawische Staatsbürgerin vom Volk der Roma, ohne Visum, ohne Aufenthaltsgenehmigung und nach eigenem Bekunden ohne Ausweispapiere in die Bundesrepublik Deutschland ein, um zu ihrem damals 16-jährigen Verlobten „A” einem jugoslawischen Staatsbürger, zu ziehen, der im Haushalt seiner Eltern und Geschwister lebte. Einen Asylantrag stellte sie nicht, sondern kündigte an, sie wolle „so schnell wie möglich zusammen mit ihrem Bräutigam aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen”. Sie erhielt von der Ausländerbehörde antragsgemäß befristete, regelmäßig verlängerte Duldungen für die Dauer bestehender tatsächlicher Abschiebungshindernisse nach Jugoslawien. Im September 2001 teilte sie mit, dass sie schwanger sei und nicht mehr freiwillig ausreisen werde. Ihr Aufenthalt wurde daraufhin weiter geduldet. In der Folgezeit bekam die Klägerin 2 Kinder, den Sohn „B” (geboren im November 2001) und die Tochter „C” (geboren im November 2002); mit dem Kindesvater „A” lebte sie zeitweise zusammen. Der Unterhalt der Klägerin und ihrer Kinder wurde durch Sozialleistungen sichergestellt. Im März 2003 erließ das Ausländeramt eine Ausweisungsverfügung: Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Bezirksregierung als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 15.09.2004). Die Ausländerbehörde verlängerte die Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes AufenthG, weil mangels eines Passes bzw. Passersatzpapiers der Klägerin eine Abschiebung nicht möglich war.

Im Juni 2005 wurde die Tochter „D” der Klägerin geboren. Der berufslose Mazedonier „E” erkannte die Vaterschaft an. Da er über eine Niederlassungserlaubnis verfügte, erhielt das Kind „D” antragsgemäß die deutsche Staatsbürgerschaft. Nunmehr legte die Antragstellerin ihren serbisch-montenegrinischen Pass (ausgestellt im Oktober 2000) vor und beantragte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, weil durch die Geburt des deutschen Kindes ihre erzwungene Ausreise aus rechtlichen Gründen (wegen des Schutzes der Familie gemäß Art. 6 GG) unmöglich geworden sei. Daraufhin erteilte ihr die Ausländerbehörde im Dezember 2005 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG, die zunächst auf 6 Monate beschränkt war (§ 26 Abs. 1 AufenthG). Im März 2006 heiratete die Klägerin ihren Verlobten „A”, im Juli 2006 wurde der gemeinsame Sohn „F” geboren. Die Ausländerbehörde verlängerte die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin nach § 25 Abs. 5 AufenthG mehrmals, zuletzt bis Juni 2009. Der Lebensunterhalt der Familie wird über Sozialleistungen sichergestellt.

Im Dezember 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten -der Familienkasse unter Vorlage ihrer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG Kindergeld für ihre (damals) drei Kinder. Die Familienkasse lehnte den Antrag unter Hinweis auf § 62 EStG ab (Bescheid vom 28.12.2005). Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch. Sie trug vor, sie verfüge seit Dezember 2005 über ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, weil ihre Tochter „D” die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Für alle Kinder sei Kindergeld zu gewähren, um das Leben der Klägerin und ihrer Kinder in häuslicher Gemeinschaft zu fördern.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Familienkasse legte dar, gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG [in der damals geltenden Fassung] bestehe im Fall einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG kein Kindergeldanspruch (Einspruchsentscheidung vom 13.03.2006).

Hiergegen richtet sich die Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, ihr stehe normalerweise eine Aufenthaltserlaubnis ...

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