vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines polnischen Staatsbürgers – Entsendung durch polnischen Arbeitgeber in das Inland für weniger als 12 Monate

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein für weniger als 12 Monate von seinem polnischen Arbeitgeber in das Inland entsandter polnischer Staatsbürger, der ausschließlich in Polen sozialversicherungspflichtig ist, unterliegt gemäß Art. 14 Nr. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 den Rechtsvorschriften Polens über soziale Sicherheit und damit nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h VO (EWG) 1408/71 auch den polnischen Vorschriften über das Kindergeld.
  2. Deutsches Kindergeldrecht ist mangels eines Anwendungsbefehls zugunsten des nationalen Rechts in §§ 62 ff. EStG auch nicht subsidiär anwendbar, wenn nach der VO (EWG) 1408/71 das Recht eines anderen Mitgliedstaats anwendbar ist.
  3. Eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG kann nur für die Monatszeiträume eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 b EStG begründen, in denen der Steuerpflichtige die für die fiktive Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG erforderlichen inländischen Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt.
 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 3, § 62 Abs. 1 Nrn. 1, 2 b, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 66 Abs. 1; VO 1408/71/EWG Art. 1 Buchst. a, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Nr. 1 Buchst. a; VO 1408/71/EWG Anhang I Teil I E

 

Streitjahr(e)

2007, 2008

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 29.01.2014; Aktenzeichen V R 64/10)

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewilligung von Kindergeld für zwei in Polen lebende Kinder.

Der Kläger ist polnischer Staatsbürger. Er wohnt zusammen mit seiner Ehefrau und den am 17.09.1991 und 01.12.1993 geborenen Kindern in „A” (Polen).

Nach eigenen Angaben unterliegt er in seinem Heimatland der dort bestehenden Sozialversicherungspflicht (Bl. 5, 7 der Kindergeldakte).

In den Kalenderjahren 2007 und 2008 war der Kläger allerdings mit Unterbrechungen beruflich in Deutschland tätig und hatte am Beschäftigungsort („B”) auch eine Unterkunft erhalten. Als Arbeitgeberin hatte der Kläger zunächst eine Firma „C GmbH” angegeben. Nach dem Inhalt der zu den Kindergeldakten (Bl. 8 bis 11) gereichten Lohnsteuerbescheinigungen hatte er von dem genannten Betrieb für die im Inland ausgeübte Tätigkeit in den verschiedenen Zeiträumen folgenden Bruttoarbeitslohn er-

halten:

01.01. bis 01.02.2007 2.039,42 EUR

06.04. bis 31.08.2007 6.325,67 EUR

02.10. bis 31.12.2007 5.706,77 EUR

01.01. bis 29.02.2008 2.001,94 EUR

Davon waren lediglich die Lohn- und Kirchensteuer sowie der Solidaritätszuschlag einbehalten worden, nicht jedoch Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag und zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Steuern waren an das Finanzamt „D” abgeführt worden.

Nach der Beendigung seiner Tätigkeit im Inland beantragte der Kläger bei der Beklagten, für seine Kinder Kindergeld zu bewilligen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 10.06.2008; Bl. 12 der Kindergeldakte). Den dagegen eingelegten Einspruch, wies sie durch Einspruchsentscheidung vom 30.07.2008 als unbegründet zurück. Dazu führte sie aus, dass der Kläger während seiner Tätigkeit nicht in Deutschland, sondern nur in Polen sozialversichert gewesen sei.

Am 01.09.2008 hat der Kläger bei Gericht zunächst Prozesskostenhilfe beantragt.

Diesem Antrag hat das Gericht mit Beschluss vom 03.03.2009 entsprochen.

Am 26.03.2009 hat der Kläger Klage erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Dazu trägt er vor:

Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 10.06.2008 sei rechtswidrig.

In den bereits im Antrag auf Bewilligung von Kindergeld erwähnten Zeiträumen sei er von einem polnischen Arbeitgeber zur Durchführung von Arbeiten ins Inland entsandt und hier auf eigenen Antrag hin gemäß § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt worden.

Bereits dieser Umstand reiche nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs

der Europäischen Gemeinschaften (EuGH; Entscheidung vom 20. Mai 2008 in der Rechtssache C-352/06 Bosmann, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2008,

877) aus, ihm unter Berücksichtigung der Regelungen der unter dem 14. Juni 1971

erlassenen Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme

der sozialen auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige,

die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO <EWG> 1408/71), Kindergeld nach den Bestimmungen des EStG zu bewilligen. In Polen hätten er und seine Ehefrau nämlich schon deshalb keinen Anspruch auf Kindergeld gehabt, weil die eigenen Einkünfte zu hoch gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 10.06.2008 und der Einspruchsentscheidung vom 30.07.2008 die Beklagte zu verpflichten, ihm für seine beiden

Kinder Kindergeld in Höhe von 7.392,-- EUR für die Kalenderjahre 2007 und 2008

zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

Entscheidung...

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