vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Quotale Geschäftsführerhaftung für Einfuhrumsatzsteuer – Inanspruchnahme des Aufschubverfahrens bei Einfuhrabgaben – Pflicht zur Vorsorge für die Steuerzahlung – Kollision zwischen Steuerentrichtungs- und Masseerhaltungspflicht – Verjährung der Haftung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein GmbH-Geschäftsführer verletzt die ihm obliegende Pflicht der ordnungsgemäßen Verwaltung von Mitteln, wenn er ungeachtet der Inanspruchnahme des Aufschubverfahrens gemäß Art. 224 ff. ZK vor Fälligkeit der Steuer nicht ausreichende Mittel zur vollständigen Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer bereit gehalten hat, obwohl ihm die zur Insolvenz führende angespannte finanzielle und wirtschaftliche Situation der GmbH bekannt gewesen sein muss.
  2. In diesem Fall kann auch keine entschuldbare Pflichtenkollision aufgrund der in § 64 Satz 1 GmbHG normierten Masseerhaltungspflicht vorliegen.
  3. Art. 221 Abs. 3 ZK enthält keine der Vorschrift des § 191 Abs. 3 AO vorgehende Regelung zur Verjährung von Haftungsschulden.
 

Normenkette

AO §§ 34, 69, 191 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; GmbHG § 35 Abs. 1 S. 1, § 64 S. 1; ZK Art. 201 Abs. 1, 3, Art. 221 Abs. 3, Art. 224; UStG § 21 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.09.2017; Aktenzeichen VII R 40/16)

 

Tatbestand

Der Kläger war zusammen mit A Geschäftsführer der B GmbH (im Folgenden: GmbH). Gegenstand des Unternehmens waren die Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von elektronischen Erzeugnissen sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen.

Die GmbH beantragte mit Einzelzollanmeldungen bei verschiedenen Zollstellen die Überführung von 16 Sendungen in den zollrechtlich freien Verkehr. Die Zollstellen nahmen die Zollanmeldungen zwischen dem 1. Februar und dem 25. Februar 2011 an und überließen die Waren zugleich der GmbH. Mit Einfuhrabgabenbescheiden vom 31. Januar bis zum 25. Februar 2011 setzten die Zollstellen u.a. 114.410,88 € Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) fest. Hinsichtlich der EUSt war der GmbH seit dem Jahr 1999 laufender Zahlungsaufschub bewilligt worden, so dass die EUSt erst zum 16. März 2011 fällig wurde. In der Bewilligung aus dem Jahr 1999 war geregelt, dass der Bewilligungsinhaber zur unverzüglichen Anzeige geänderter Verhältnisse verpflichtet sei.

Am 1. März 2011 beantragte die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Am 3. März 2011 bestellte das Amtsgericht…(AG) Rechtsanwalt Dr. C zum vorläufigen Insolvenzverwalter und bestimmte unter anderem weiter, dass Verfügungen der GmbH über Gegenstände ihres Vermögens der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bedürften (Az. ...). Der Kläger informierte den Beklagten hierüber unter dem 15. März 2011. Mit Beschluss vom 1. Juni 2011 eröffnete das AG wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH und ernannte Rechtsanwalt Dr. C zum Insolvenzverwalter.

Zahlungen auf die EUSt erfolgten nicht.

Im Rahmen einer Anhörung durch den Beklagten erklärte der Kläger, er habe, nachdem der vorläufige Insolvenzverwalter eingesetzt worden sei, die noch offenen und erst am 16. März 2011 fälligen Steuerschulden nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht mehr erfüllen können. Daher fehle für seine Haftung die Kausalität. Jedenfalls aber hafte er nur in Höhe einer Quote. Zudem sei ihm keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, denn er habe den Insolvenzverwalter auf die Pflicht zur Steuerzahlung angesprochen. Auch gebe es eine Pflichtenkollision zwischen der Abführungspflicht von Steuern und § 64 Satz. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Selbst wenn er rechtsirrig nicht gezahlt haben sollte, lasse dieser Irrtum den Schuldvorwurf entfallen. Schließlich sei nach Art. 221 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK) Verjährung eingetreten.

Mit Haftungsbescheid vom 22. April 2015 nahm der Beklagte den Kläger nach § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit §§ 34 Abs. 1, 69 AO für Steuerschulden von 114.410,88 € als Haftenden in Anspruch. Zur Begründung führte er aus, dass gesetzliche Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen hätten, dass die Steuern aus den von ihnen verwalteten Mitteln entrichtet werden könnten. Diese Pflicht entstehe nicht erst mit Fälligkeit der Steuern, sondern schon dann, wenn Steueransprüche zu erwarten seien. Daher sei der Kläger verpflichtet gewesen, die Gelder der GmbH so zu verwalten, dass diese pünktlich zur Tilgung der anfallenden Steuern vorhanden seien. Diese Pflicht habe er verletzt. Er habe auch grob fahrlässig gehandelt. Er müsse sich mit den handels- und steuerrechtlichen Anforderungen der Geschäftsführertätigkeit vertraut machen und dürfe sich nicht auf mangelnde Erfahrung berufen. Vorliegend seien die streitigen Steuern im Februar 2011 mit der Annahme der Zollanmeldungen entstanden. Zu dieser Zeit sei er noch befugt...

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