Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbarkeit einer Entschädigungszahlung für Fluglärm: Anspruchsverzicht des Grundstückseigentümers als Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG – Stillhalte- und Wohlverhaltenspflichten des Zahlungsempfängers

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine vertraglich ausbedungene Entschädigungszahlung für Fluglärm gegen Verzicht des betroffenen Grundstückseigentümers auf Ansprüche gegen die Betreiberin des Flughafens stellt kein Entgelt für Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG dar, wenn sie ungeachtet der Vereinbarung von Stillhalte- und Wohlverhaltenspflichten des Zahlungsempfängers im Wesentlichen als Ausgleich der Beeinträchtigungen des Grundstücks durch den Flugbetrieb anzusehen ist und damit ein veräußerungsähnlicher Vorgang im privaten Bereich in Gestalt der Aufgabe einer grundstücksbezogenen Rechtsposition vorliegt.

 

Normenkette

EStG § 22 Nr. 3

 

Streitjahr(e)

2010

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 18.09.2014; Aktenzeichen IX B 9, 19/14)

 

Tatbestand

Die Kläger sind für das Streitjahr (2010) zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Sie bewohnen seit mehr als zehn Jahren ein selbstgenutztes Einfamilienhaus, das in der Nähe des Flughafens A in der sog. Flugschneise steht. Der Flughafen verfügt über eine unanfechtbare Betriebserlaubnis.

Die Kläger gehören der Aktionsgemeinschaft gegen Fluglärm und Luftverschmutzung e. V. an. In diesem Verein haben sich Anlieger des Flughafens zusammengeschlossen, um sich gegen die Auswirkungen des Flugbetriebes zu wenden. Im August 2009 vereinbarten die Betreiberin des Flughafens, die B GmbH, und die Aktionsgemeinschaft, dass Mitglieder zur Abgeltung der zwischen den Beteiligten offenen Fragen über die Auswirkungen des Betriebes des Flughafens und etwaigen Entschädigungsansprüchen unter bestimmten, in der Vereinbarung näher genannten Bedingungen eine Entschädigung je Grund / Wohnungseigentum oder Nutzungsrecht i.H.v. 5000 € erhalten sollten. Voraussetzung war unter anderem, dass das Mitglied Eigentümer eines Grundstückes oder Inhaber eines Wohnungseigentumsrechts in einem genau bestimmten Gebiet war. Im Gegenzug verzichteten sie auf sämtliche etwaige bislang entstandenen Ansprüche, bekannt oder unbekannt, gegen die B GmbH bzw. die Bezirksregierung C aus dem Betrieb des Flughafens A. Die Wirksamkeit der Vereinbarung hängt davon ab, dass genauer bezeichnete verwaltungsgerichtliche Klagen und ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgenommen werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die bei den Akten befindliche Vereinbarung und ihre Anlage verwiesen. Aufgrund der Vereinbarung erhielten die Kläger im Jahre 2010 5000 € von der B GmbH ausgezahlt.

Im Januar 2013 wurde der vorgenannte Sachverhalt dem für die Veranlagung der Steuerpflichtigen zuständigen Veranlagungsbezirk durch eine Kontrollmitteilung bekannt. Nach vorheriger Anhörung änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO im Einkommensteuerbescheid vom 22.03.2013, in dem er bei beiden Klägern sonstige Einkünfte in Höhe von je 2500 € ansetzte. Er begründete dies damit, die Entschädigungszahlungen seien als Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG zu erfassen. Die Kläger hätten als Mitglieder der Aktionsgemeinschaft eine Leistung erbracht, die in der Abgabe der Verzichtserklärung zu sehen sei. Damit hätten sie auf die Geltendmachung rechtlicher Ansprüche, z.B. Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB oder öffentlich – rechtlicher Unterlassungsansprüche verzichtet. Die Vorschrift sei zwar auf einer steuerfreien Veräußerung ähnliche Vorgänge nicht anzuwenden. Letztere lägen aber hier nicht vor, weil die Kläger keinen Vermögensgegenstand hingegeben hätten und die etwaige Wertminderung keine Substanzbeeinträchtigung des Grundstücks sei.

Die Kläger haben am 17. April 2013 Klage erhoben, die Klageschrift wurde dem Beklagten am 23. April 2013 zugestellt. Der Beklagte hat der Sprungklage am 16. Mai 2013 zugestimmt.

Die Kläger tragen vor, die Entschädigungszahlung sei nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar. Es liege ein veräußerungsähnlicher Vorgang vor. Die Entschädigung sei als Ausgleich für erlittene materielle oder immaterielle Einbußen gezahlt worden. Entschädigungen bzw. Schadensersatzleistungen zum Ausgleich von Wertminderungen aufgrund von Lärmbelästigungen oder ähnlichen Beeinträchtigungen infolge behördlichen Eingriffs bzw. infolge auf behördlicher Genehmigung beruhender privatwirtschaftlicher Betätigung stellten den Vermögensbereich betreffende nicht steuerbare Leistungen dar. Unerheblich sei, dass als Voraussetzung für die Auszahlung der Entschädigung eine sogenannte Verzichtserklärung abzugeben gewesen sei. Abzustellen sei allein auf den wirtschaftlichen Gehalt der getroffenen Vereinbarung, der ausdrücklich auf den Ersatz von durch den Flugbetrieb eingetretenen Vermögensschädigungen gerichtet sei.

Die Kläger beantragen,

den Änderungsbescheid vom 09.04.2013 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Er trägt vor, die Kläger hätten eine Leistung nach § 22 Nr. 3 EStG erbracht. Gegenstand...

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